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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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wollen, dann war ein lästiger Schüttelfrost hinzugekommen, schlotternd war er vorangestolpert, hatte sich an den Baumstämmen festgeklammert, hin und wieder wurde ihm schwarz vor Augen, so dass er auf die Knie sank und eine Weile brauchte, bis er wieder klar sehen konnte. Später, als die Hitze in ihm aufstieg, ihn austrocknete wie einen alten Lappen und ihm elende Fieberträume schickte, war er fast so weit gewesen, alle Hoffnung aufzugeben.
    Großer Gott - Schottland war so nahe! Wenn es schon mit ihm zu Ende ging, dann wollte er wenigstens in seiner Heimat sterben und nicht hier, unter den verhassten Engländern.
    Eine neue Fieberwelle erfasste ihn und wollte ihn schier verbrennen. Er spürte schrecklichen Durst. Es kostete unendlich viel Kraft, sich auf den Bauch zu drehen und zum Bach zu kriechen, doch dieses Mal schaffte er es, mit einer Hand ein wenig Wasser zu schöpfen und zu trinken. Es war mühsam, und er dachte an die weichen Hände des Mädchens, die er an seinen Lippen gespürt hatte. Sie hatte etwas Zärtliches an sich, diese schwarzäugige Kleine, sie war fürsorglich, auch wenn sie energisch zupacken konnte. Sie gefiel ihm. Auch mit ihrem Pferd war sie liebevoll umgegangen - zärtlich, aber zugleich ruhig und entschlossen. Und starrsinnig, das war sie auch. Ihr Starrsinn war lästig. Genau wie ihre Empfindlichkeit, wenn es um ihre Mutter ging. Eine Sarazenin -
    Er merkte, dass seine Gedanken sich verwirrten und ein ziemlicher Schwachsinn dabei herauskam, es musste das Fieber sein, das ihm den Kopf aushöhlte. Wieso grübelte er über dieses Mädchen nach? Gleich
ob sie ihm gefiel oder nicht - die Hauptsache war, sie brachte ihm etwas zu essen, damit er wieder zur Kräften kam. Er hatte seit Tagen kaum etwas zwischen die Zähne bekommen, denn ohne Pfeil und Bogen war es nicht einfach, ein Wild zu erjagen. Jetzt war er so matt, dass er einen Hasen nicht einmal dann gefangen hätte, wenn er direkt vor seiner Nase vorbeigehoppelt wäre.
    Egal - er brauchte nur zu warten, sie würde schon kommen. Und wenn er erst mal etwas gegessen hatte, würde er auch einen Weg finden, ihr das Pferd abzuschwatzen. Ohne ein Pferd würde er es nicht schaffen, dazu war er viel zu schwach. Er schloss die Augen, denn die Zweige der Weide über ihm schwankten heftig, und er war sich nicht mehr sicher, ob es der Wind war oder das jämmerliche Schwindelgefühl. Das Feuer in seinem Leib war plötzlich in sich zusammengefallen, und stattdessen breitete sich Kälte aus, ein Schüttelfrost erfasste ihn, und er spürte, wie er mit den Zähnen klapperte.
    Durchhalten, dachte er. Ich will hier nicht elend verrecken, diesen Triumph gönne ich ihnen nicht. Wenigstens über die Berge muss ich es schaffen.
    Er fiel in einen unruhigen Halbschlaf und ohne dass er sich dagegen wehren konnte, stiegen die grausigen Bilder wieder in ihm auf. Die brüllende, tobende Menschenmenge auf dem großen Platz, die dumpfen Schläge der Trommeln, die im Kreischen der Weiber fast untergingen. Die aufgerissenen Münder, die verzerrten Gesichter, der Jubel, als man den Gefangenen an den Galgen hängte. Nackt und blutend, denn man hatte ihn zuvor an ein Pferd gebunden und durch die Straßen der Stadt gejagt. Jeder Gassenjunge, jedes Marktweib durfte ihn mit Steinen und Dreck bewerfen.

    Angus stöhnte und drehte den Kopf hin und her, doch die schrecklichen Erinnerungen wollten nicht vergehen, im Gegenteil, sie erstanden nur noch deutlicher vor seinen Augen. Er hatte so manchen Kampf erlebt und viel Schlimmes gesehen, doch was dort auf dem Richtplatz geschehen war, hatte ihn im Innersten erschüttert. Der Gefangene hatte sich trotz aller Foltern mutig geweigert, den englischen König Edward als seinen Herrn anzuerkennen. Die Strafe dafür war entsetzlich. Der Galgen, doch nicht bis zum Tod. Noch lebend entmannten sie ihn. Dann die Vierteilung unter dem Gebrüll der Menge, das sich bis zum Irrsinn steigerte, je mehr Blut sie zu sehen bekamen.
    Er selbst hatte zwischen den Gaffern gestanden, er hatte es sehen wollen, zu seiner eigenen Schande und Verzweiflung. Unerkannt hatte er sich unter die Menge gemischt, auch er schrie wie ein Verfluchter, denn alles andere hätte ihn verdächtig gemacht. Doch es waren Schreie hilfloser Wut, und die Tränen liefen ihm dabei über das Gesicht.
    Es war nicht Braveheart allein, der dort entsetzlich zu Tode gemetzelt wurde - mit ihm starb die Freiheit seiner schottischen Heimat. Wer immer die Herrschaft König Edwards nicht

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