Herzensstürme - Roman
sie selbst die Ursache für sein Verderben geworden.
Niemand achtete zuerst auf die Hornsignale, die vom Dach des Turmes zu hören waren, denn der Kampf nahm alle Aufmerksamkeit der Menschen in Anspruch. Erst nachdem der Wächter dort oben immer verzweifelter blies und mit heiserer, sich überschlagender Stimme seinen Warnruf erschallen ließ, hob Gavin MacMorris den Kopf.
»Was ist nun schon wieder?«
»Ein Heer! Ein gewaltiges Heer. Es zieht den Hügel herauf.«
»Bist du blöde geworden, Bursche«, rief Gavin nach oben. »Es werden Hochzeitsgäste sein.«
»Es sind Engländer. Gewappnet und in Waffen. Ich sehe Lanzen und Spieße …«
Dem Wächter versagte die Stimme, er musste husten, doch gleich darauf blies er wieder mit verzweifeltem Mut in das Horn. Entsetzen brach aus, diejenigen, die die Warnung gehört hatten, riefen sie den zunächst Stehenden zu, einige Frauen begannen zu jammern, andere liefen davon, um ihren Männern Wehr und Waffen zu holen. Die Kämpfer ließen von Connor und Gavin ab, viele stiegen auf die Mauertürme, um sich mit eigenen Augen von der Wahrheit des Gehörten zu überzeugen. Auch oben auf dem Turm standen jetzt etliche Männer, unter ihnen auch Gavin MacMorris, der Burgherr.
»Lasst das Tor geschlossen!«, tönte es über den Hof. »Verstärkt den Riegel mit Keilen und Stämmen.«
Plötzlich war der unsinnige Streit wie ausgelöscht, Kelvin stand mit erhobenem Schwert und starrte seinen Gegnern nach, die einfach davongelaufen waren, und er stieß einen langen Fluch aus.
Connor hatte sich zu Brianna gewendet und zog sie sanft vom Tor fort, das jetzt von den Knechten durch hölzerne Keile verstärkt wurde. Sie zitterte am ganzen Körper und lehnte sich erschöpft gegen seine Brust, angstvoll und glücklich zugleich, denn Connor lebte, er war nicht einmal verletzt.
»Das wird dir nichts nutzen, Gavin MacMorris«, schrie Gordon MacDean boshaft auf der anderen Seite des Tores, und man hörte seine wütenden Faustschläge auf das Holz donnern. »Du wirst deine Burg
verlieren, denn sie wird mir gehören. Alles wird mir gehören, das Gebiet der MacDean und auch der Besitz der MacMorris!«
Brianna schlang die Arme um Connor, denn sie wusste, wie schrecklich diese Worte in seinen Ohren klingen mussten. Er liebte seinen Bruder, hatte ihn immer beschützt, sich für ihn eingesetzt, zuletzt sogar noch mit dem Vater für ihn gestritten.
»Es tut mir leid«, murmelte sie und schmiegte sich an ihn.
Connor schwieg, er konnte nicht sprechen, denn die schreckliche Wahrheit legte sich auf ihn wie ein bleiernes Gewicht.
»Ich habe es immer gewusst«, sagte Kelvin, der weniger rücksichtsvoll als Brianna war. »Dieser dreckige Verräter wollte ganz harmlos als Hochzeitsgast in die Burg einreiten. Doch statt der angeblichen Geschenke hat er vermutlich Kämpfer in den Wagen verborgen. Sie hätten verhindert, dass man das Tor wieder schloss, und das Heer wäre in die Burg eingedrungen.«
Connors Hand strich langsam und wie im Traum über Briannas Rücken, als müsse er sich an ihr festhalten. Dann hob er den Blick zu Kelvin und der nickte ihm mit bitterer Miene zu.
»Das ist leider die Wahrheit, Connor«, gestand er. »Auch dein Vater hat es gewusst. Er hat sich lange dagegen gewehrt und schwer daran getragen. Gordon ist ein Verräter.«
»Wenn es so ist«, sagte Connor mit dunkel umflorter Stimme. »Dann wird ihm das Los des Verräters zuteil werden.«
Er küsste Brianna auf die Wange und schob sie dann sacht von sich ab.
»Es ist keine Zeit mehr für unsere Liebe, Brianna. Es ist Zeit zu kämpfen. MacDean oder MacMorris - wir alle sind Schotten und werden diese Burg bis zum Letzten verteidigen.«
Sie nickte und nahm sich zusammen, denn sie war immer noch zittrig und ihr Kopf schmerzte. Doch sie lächelte ihn siegessicher an und ihre Augen blitzten.
»Was glaubst du eigentlich, was ich die ganze Zeit über getan habe, Connor MacDean? Dachtest du, ich hänge an diesem Balken, weil ich dieses Holz so liebgewonnen habe? O ihr Männer!«
Inzwischen hatte Gavin das Durcheinander geordnet, die Verteidiger waren auf ihren Posten, jedermann hatte sich bewaffnet, so gut es ging. Sogar die Barden und Handwerker waren mit Stöcken und Messern ausgestattet, und die Mägde trugen Steine herbei, um sie bei einem Angriff von den Mauern herabzuwerfen.
Es blieb nicht viel anderes übrig, als zu warten, was draußen beschlossen wurde, denn das Heer war nun dicht vor der Burg, nur der breite Graben
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