Herzensstürme - Roman
wäre.
»Du musst zuerst an mir vorbei, wenn du Brianna erschlagen willst.«
Auge in Auge standen sich die Brüder gegenüber, der eine blutend und vom Kampf erschöpft, der andere frisch und ausgeruht, den Körper von Panzerhemd und Beinschienen geschützt.
»Lauf über die Brücke, Brianna!«, rief Connor ihr zu, während er die wütenden Schwerthiebe seines
Bruders abwehrte. »Bring dich in Sicherheit, ich halte sie von dir fern!«
Sie stand jedoch, als seien ihre Füße in den Boden genagelt, sah in wildem Entsetzen auf die kämpfenden Brüder, die bald von englischen Gewappneten umringt waren. O Gott - selbst wenn Connor seinen Bruder besiegte - sie würden ihn dennoch gefangen nehmen oder töten, es waren viel zu viele.
In diesem Augenblick brach hinter ihr die Hölle los. Krachend wurden die hölzernen Flügel des Burgtores aufgestoßen, und die schottischen Kämpfer stürmten über die Brücke auf die Engländer zu. Gavin MacMorris und Kelvin waren bei den Ersten, die Münder aufgerissen, die Augen glänzend vor Zorn und Kampfeslust.
»Für Schottlands Freiheit! Für Connor MacDean!«
Dicht neben Brianna stießen die beiden Heere aufeinander, und sie nahm nichts anderes mehr wahr als ein tobendes, schreiendes, stampfendes Getümmel von Männern, blitzende Schwerter, gleißende Helme, Wutgeschrei, Schmerzenslaute, Stöhnen und Jubeln. Da waren sie, die grausigen Bilder, die sie im Traum gesehen hatte, vor denen sie sich so maßlos geängstigt hatte. Pferde bäumten sich auf, Männer schlugen aufeinander ein, viele lagen schon am Boden, andere stiegen über sie hinweg, hieben mit Schwertern, stießen mit Speeren. Wo war Connor? Sie musste ihm beistehen, sie war seine Gefährtin, seine Beschützerin, auch wenn sie nicht viel tun konnte, so wollte sie ihm doch nahe sein, vielleicht sogar den tödlichen Hieb abfangen, der ihm galt, im schlimmsten Fall an seiner Seite sterben. Sie drängte sich zwischen die Kämpfenden, wäre fast von einem Hieb getroffen worden, dann erhielt
sie plötzlich einen festen Stoß, verlor den Halt, kreischte laut auf und fiel kopfüber in den Burggraben.
Prustend tauchte sie wieder auf, spuckte die ekelhafte Brühe aus, dann begriff sie, dass sie schwimmen musste, um nicht in den Schlamm des Grabens zu geraten, der sie nach unten ziehen würde. Sie ruderte verzweifelt mit Armen und Beinen, verfluchte das lange Gewand, das sie behinderte und schwer an ihr hing, doch es gelang ihr, das schlüpfrige Ufer zu erreichen. Hastig fasste sie nach einigen überhängenden, kahlen Zweigen, um sich hochzuziehen, denn zu ihrem Entsetzen war sie längst nicht mehr allein im Graben. Einige Kämpfer waren ebenfalls hinabgestürzt und ruderten um ihr Leben, weil die schweren Kettenhemden sie in die Tiefe ziehen wollten.
Die Zweige brachen mehrfach, sie musste weiterschwimmen, sich einen anderen, kräftigeren Busch suchen und endlich, nach mehreren missglückten Versuchen, kroch sie nass und völlig erschöpft ans Ufer. Sie blieb einen Augenblick lang liegen, keuchte und spuckte, versuchte, ihr nasses Gewand auszuwringen, dann setzte sie sich auf und blickte sich nach den Kämpfenden um.
»O Himmel«, dachte sie verzweifelt. »Gavin MacMorris hat Leib und Leben und auch seine Burg aufs Spiel gesetzt, um Connor zu Hilfe zu eilen. Aber gegen das große Heer der Engländer haben sie kaum eine Chance. Wenn nicht ein Wunder geschieht, werden sie alle sterben oder in Gefangenschaft geraten und die Burg wird in Flammen aufgehen.«
Der Klang eines Hornes übertönte für einen Moment den Schlachtenlärm, und sie glaubte zuerst, der Wächter oben auf dem Wohnturm der Burg habe geblasen.
Doch als das Signal zum zweiten Mal erklang, begriff sie, dass es von Norden her kam, und sie richtete sich auf.
Eine Kämpferschar näherte sich der Burg in raschem Trab, die Wimpel an den Lanzen flatterten, die Reiter spornten ihre Tiere an, hatten schon die Schwerter aus den Scheiden gezogen. Nun waren auch ihre Kampfrufe zu hören, die schottisch und nicht englisch klangen. Allen voran ritt ein gewappneter Ritter, der den Zügel seines Pferdes mit der linken Hand hielt, unter dem Helm quoll sein graues Haar hervor.
Malcolm MacDean eilte herbei, um Gavin MacMorris gegen die Engländer beizustehen.
Kapitel 39
Gegen Abend kreisten Raben und Krähen über der Burg, hockten auf der zertrampelten Heide neben zerbrochenen Schwertern und aufgeschlitzten Helmen. Ihre Beute war gering, denn Mathew Crow hatte den Kampf
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