Herzensstürme - Roman
Gott«, entfuhr es Brianna.
Er sah mit einem raschen Blick zu ihr auf, doch sein Gesicht zeigte keine Regung.
»Die Gewappneten des Statthalters durchstreifen alle Höfe und Dörfer, die in der Nähe des Moors liegen«, fuhr er fort. »Sie haben auch mein Haus durchwühlt, zuerst drohten sie uns, trieben meine Schafe und die Ziegen davon, dann versprachen sie Geld, wenn wir den Flüchtling verraten. Jetzt sind sie fort, bis morgen werden sie gewiss nicht zurückkehren.«
Und wenn doch?, dachte Brianna angstvoll. Und wenn er sich das alles nur ausgedacht hat, um uns in seine Hütte zu locken, und er danach die Engländer herbeiholt?
»Wir vertrauen dir und begeben uns in deinen Schutz, Jain«, hörte sie Angus sagen. »Führe uns.«
Sie zogen die Pferde am Zügel hinter sich her und folgten dem Bauern, der trotz des Nebels mit sicheren Schritten vorausging, ohne ein einziges Mal den Weg zu verlieren. Angus Züge waren angespannt, immer wieder blickte er sich um, versuchte, den grauen Dunst mit den Augen zu durchdringen, und Brianna spürte, dass auch er sich nicht sicher war, ob man sich auf die Ehrlichkeit ihres Gönners verlassen konnte. Doch was blieb ihnen übrig? Wenn sie überleben wollten, dann brauchten sie Hilfe.
Der Boden wurde fester, jetzt tauchten sogar einzelne Felsblöcke auf, mit weißen und rötlichen Flecken von Flechten gemustert. Sie hatten das Moor hinter sich gelassen. Bald wurde eine niedrige Mauer sichtbar, sie war unregelmäßig, denn es hatten sich Steine gelöst, und niemand hatte sie wieder an ihren Platz gelegt. Ein brauner, wolliger Hund kläffte und lief dem Bauern winselnd entgegen, als er die Schafe sah, beeilte er sich, sie in die Umfriedung zu treiben.
»Lasst mir eure Pferde«, verlangte Jain. »Ich bringe sie hinter dem Haus unter, dort habe ich die Torfsoden
aufgestapelt. Falls jemand hierher kommt, wird er die Pferde nicht gleich bemerken.«
Es klang vernünftig, dennoch hatte Brianna ein ungutes Gefühl, als er ihr den Zügel des Kleppers aus der Hand nahm, und auch Angus schien es wenig zu gefallen, dass die Reittiere nicht in seiner Nähe blieben.
Am Eingang des niedrigen Steinhauses war eine Gestalt erschienen, die sie im ersten Moment für ein Kind hielten. Das Wesen humpelte in merkwürdigen Sprüngen auf sie zu, dann erst erkannten sie, dass es ein junger Mann war, der sich in gebückter Haltung voranbewegte, ein Bein hinter sich herziehend.
»Bring die Pferde hinters Haus und versorge sie, Kyle!«, befahl der Vater. »Und binde sie gut an. Danach hol einen Eimer mit Wasser und bring ihn ins Haus.«
Der junge Bursche musste den Kopf steil anheben, um die Gäste ansehen zu können, und seine Augen zuckten dabei unaufhörlich.
»Ist das etwa …?«, stammelte er.
»Tu was ich dir auftrage!«, war die harte Antwort.
Wenn es tatsächlich die englischen Gewappneten gewesen waren, die Jains einzigen Sohn so zugerichtet hatten, dann war es verständlich, dass er alles tat, um den Engländern Schaden zuzufügen. Unsicher folgten sie ihrem Gastgeber in sein Haus, dort brannte ein Talglicht, das den dämmrigen Raum nur unzureichend beleuchtete und noch dazu einen stechenden Rauch verbreitete.
»Es sieht hier nicht immer so aus«, sagte Jain, als müsse er sich entschuldigen. »Shona - wir haben Gäste. Komm hervor, du brauchst dich nicht zu verstecken, es ist Connor MacDean.«
Der Name schien ein Zauberwort zu sein, denn hinter einer Bank kroch jetzt eine alte Frau hervor, klopfte ihren braunen Kittel ab und zog das Plaid enger um die Schultern. Jetzt, da sich ihre Augen an das Dämmerlicht gewöhnt hatten, sah Brianna auch erschrocken, dass der Boden voller Tonscherben war. Man hatte die Wandbretter heruntergerissen und alle Gegenstände aus den Wandnischen gefegt.
»Sei uns willkommen, Connor MacDean«, sagte Shona. »Du und die Frau, die du mitbringst, ihr sollt unter unserem Dach in Sicherheit sein.«
»Ich danke dir, Shona«, gab Angus beklommen zurück. »Es tut mir leid - sie haben alles zerschlagen, weil sie nach mir gesucht haben.«
Die Alte zuckte die Schultern und schob einige Scherben mit dem Fuß beiseite.
»Was zählen die paar Schüsseln und Becher noch? Es ist mir nur leid, dass ich Euch nicht bedienen kann, wie es Euch gebührt.«
Aus den Augen der alten Frau sprach tatsächlich große Freude, und die Blicke, mit denen sie Angus bedachte, waren fast zärtlich. War es ehrlich gemeint? Vielleicht - doch Brianna konnte sich auch des Verdachts
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