Herzensstürme - Roman
ihrem Pferd war ein hoher, grauer Schatten, ohne Zweifel ein Reiter. Ein Gewappneter?
»Brianna«, sagte er leise. »Brianna, ich bin so unendlich froh, dich zu sehen.«
Sie fuhr hoch, stieß dabei unsanft gegen den harten Kopf des Kleppers, schob ihn ungeduldig beiseite und stolperte zu dem Reiter hinüber.
»Angus«, stammelte sie noch zweifelnd, ob er nicht nur eine Erscheinung war. »O mein Gott, das ist wie ein Wunder. Wie hast du … wie bist du …?«
»Psst!«, wisperte er lächelnd. »Nicht so laut, kleine Banschie. Es könnten noch Verfolger in der Nähe sein. Dein Klepper hat mich zu dir geführt.«
Sie war völlig außer sich vor Aufregung, suchte das kleine Messer aus dem Ärmel hervor und machte sich daran, Angus Fesseln durchzuschneiden, doch ihre Hände zitterten dabei so, dass sie ihm um ein Haar in die Finger geschnitten hätte. Angus reckte sich, warf die Riemen von sich und bewegte die Finger. Dann schwang er ein Bein über den Pferderücken und glitt hinab.
»Brianna«, flüsterte er, dicht vor ihr stehend. »Du dummes, liebes Mädchen.«
Sie konnte nicht anders, als sich an seine Brust zu lehnen und ihn zu umfassen. Reden konnte sie nicht, denn ihr Hals war wie zugeschnürt von all den Dingen, die sie ihm gern sagen wollte und die sie doch nicht auszusprechen wagte. Die entsetzliche Angst um sein Leben, ihre Sehnsucht, ihre Verzweiflung, das unfassbare Glück, ihn wieder bei sich zu haben.
Angus hatte sie mit beiden Armen umschlossen, seine Hände strichen unaufhörlich über ihren Rücken, und plötzlich spürte sie, wie sein Brustkorb bebte und zuckte. Konnte das sein? Angus, der harte Krieger, der so gern über sie spottete, er weinte und presste sie an sich, als wolle er sie niemals wieder loslassen.
»Ich liebe dich, Brianna«, hörte sie ihn leise murmeln. »Ich glaubte, du wärest tot, ertrunken im Burggraben und war verzweifelt, denn ich hatte dir niemals die Wahrheit gestanden. Ich liebe dich mehr als mein Leben.«
Sie begriff nichts, wollte jetzt auch nichts wissen, nicht nachdenken, nicht zornig werden - sie wollte nur in seinen Armen liegen, seinen Herzschlag spüren, seine Wärme und sich dem berauschenden Gefühl hingeben, das diese Worte in ihr auslösten. Sacht nahm er ihren Kopf in beide Hände, sah voller Rührung, dass auch sie jetzt weinte, und küsste zärtlich ihre Stirn, ihre Nase, ihre Wangen. Als ihre Lippen sich fanden, schmeckte der Kuss nach warmen, salzigen Tränen, und sie wusste nicht einmal, ob es ihre oder seine Tränen waren.
»Wir können hier nicht bleiben«, flüsterte er.
Sie schmiegte sich an ihn und war nicht bereit, ihn
loszulassen, denn sie fürchtete, ihn wieder zu verlieren, sobald diese zärtliche Nähe zerriss.
»Wo sollen wir denn hingehen? Wir wissen ja nicht einmal, wo wir sind …«
»Meine Stute wird es wissen, sie ist hier in der Gegend gezogen und wird nach Norden laufen, denn sie will zurück nach Craigton Castle, wo sie herkommt.«
»Aber dorthin dürfen wir auf keinen Fall reiten!«
»Nicht ganz bis dorthin. Vorher müssen wir uns nach Westen schlagen. Vertrau mir - wir haben Freunde.«
Er küsste noch einmal ihren Mund, schob sie dann sanft von sich und hielt sie noch einen kleinen Moment bei den Schultern, um ihr lächelnd in die Augen zu sehen. Wir schaffen es, sagte sein Blick. Jetzt, da wir uns wiedergefunden haben, heben wir gemeinsam die Welt aus den Angeln.
Dann half er ihr auf den Klepper, zog den Sattelgurt der Stute fest und stieg auf, seinem Reittier die Zügel lassend.
Brianna war noch wie betäubt, und während sie hinter ihm herritt, wirbelten Gedanken und Gefühle in ihrem Inneren wild durcheinander. Ihr Pferd, dieser nutzlose, alte Klepper, der ihr noch dazu weggelaufen war - er hatte sich im Moor zurechtgefunden und Angus zu ihr geführt. Wie seltsam das war - es war immer dieses Pferd gewesen, das sie beide miteinander verband, zuerst im Streit, jetzt in der Liebe. Angus liebte sie, er hatte es ihr gestanden und er hatte sogar geweint. Was hatte er gesagt? Er hatte sie für tot gehalten?
Die Pferde blieben plötzlich stehen und witterten, dann setzte sich die Stute wieder langsam in Gang, doch ihr Schritt war jetzt zögerlich, als ängstige sie etwas.
Neben ihnen ragten bizarr geformte Stöcke empor wie die bleichen Arme jener Unglücklichen, die im Moor versunken waren. Hin und wieder gab der Nebel eine schwarze, unbewegliche Fläche frei - sie ritten am Ufer eines Moorsees entlang. Angus wandte sich
Weitere Kostenlose Bücher