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Herzensstürme - Roman

Titel: Herzensstürme - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heyne
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ihr im Heidekraut lag. Das Instrument krümmte sich zusammen, wie ein langbeiniges Insekt und stieß einen letzten, klagenden Ton aus, worauf das Maultier einen wilden Sprung tat, mit beiden Hinterhufen ausschlug und dann im Nebel verschwand.
    O Gott - was hatte sie angerichtet? Sie hatte gehofft, Angus im Gewühl zu erkennen, rasch zu ihm hinspringen und seine Fesseln durchschneiden zu können, doch das Getümmel war so gewaltig gewesen und der Nebel so dicht, dass sie sich nur angstvoll auf den Boden kauern konnte.
    Sie nahm probeweise die Arme herunter und lauschte in den Nebel hinein. Immer noch waren Rufe
und Flüche zu vernehmen, doch jetzt zum Glück aus großer Entfernung. Sie richtete sich vorsichtig auf und schüttelte das nasse Gewand, das nun auch noch breite Flecken von der schwarzen Moorerde trug. Viel war sowieso nicht mehr daran zu retten, in dem unterirdischen Gang hatte das Wasser kniehoch gestanden, und dazu war es so eng darin gewesen, dass sie sich an einigen Stellen mühsam hindurchquetschen musste.
    Ratlos ging sie ein paar Schritte, trat auf eine weiche Stelle und zog rasch den Fuß zurück, um nicht einzusinken. Wie sollte sie Angus in diesem elenden Moor finden - zumal bei diesem Nebel? Wenn er überhaupt noch am Leben war. Er konnte vom Pferd gestürzt sein und lag nun hilflos irgendwo im Moor. Er war gefesselt - wie sollte er sich da aus dem Morast herausarbeiten? Vielleicht war er längst erstickt, von den Pferdehufen zertreten, von einem zornigen Gewappneten mit dem Schwert getötet …
    Sie lief ein paar Schritte, geriet wieder in eine sumpfige Stelle und kehrte um. War sie vorhin hier vorbeigekommen? Diese Heidekrautbüschel sahen alle gleich aus, auch die dürren, verblühten Gräser gaben keinen Anhaltspunkt, eines aber war sicher - der Dudelsack war nicht mehr zu sehen - sie war einen anderen Weg gegangen.
    Entmutigt hockte sie sich wieder auf den Boden und umschloss die angezogenen Knie mit den Armen. Weshalb war sie nicht nach Musselburgh gelaufen, um Kelvin zu Hilfe zu holen? Ach, sie hatte es nicht gewagt, denn es hatte ja geheißen, Crow wolle schon am folgenden Tag aufbrechen, und sie fürchtete, den rechten Augenblick zu verpassen. Und dann hatte sie zwei volle Tage und Nächte in der Nähe des Fahrweges
auf der Lauer gelegen, ungeduldig gewartet, tausend Pläne gemacht, in den Nächten vor Kälte und Aufregung kaum ein Auge geschlossen.
    Jetzt war alles wieder still um sie herum, das Moor knisterte, irgendwo raschelte ein kleines Tier, ein Hölzchen knackte …
    Ach, sie hatte alles falsch angefangen, und dabei hatte sie noch heute Morgen geglaubt, Gott der Herr habe ihr ein Zeichen gegeben, um alles noch zum Guten zu wenden. Sie hatte Logans Schnarchen gehört, noch bevor sie ihn auf dem Fahrweg entdeckte. Zuerst war sie erschrocken, dann jedoch glaubte sie, eine wundervolle Idee zu haben und sie war leise auf den Karren geklettert. Den Dudelsack hatte sie genommen, dazu ein kleines Messer, dann jedoch war der zweirädrige Wagen nach vorn gekippt, und der schnarchende Logan hatte eine der beiden Deichselstangen auf den Bauch bekommen, davon war er blitzartig aufgewacht. Er hatte sie angestarrt, als sei sie ein Geist, doch bevor er sich auf sie stürzen konnte, war sie in den Nebel entwischt, und der dicke Kerl hatte ihr nicht folgen können.
    Jetzt erschien ihr diese Idee keinesfalls mehr so glänzend. Zugleich verspürte sie eine bleierne Müdigkeit, und sie hockte sich wieder auf den Boden, um einen Augenblick auszuruhen und nachzudenken, auf keinen Fall einzuschlafen. Doch es war so erlösend, sich ganz und gar in die weiche Dunkelheit fallen zu lassen, die Angst, die Sorge und sogar den Kummer hinter sich zu lassen, in eine andere, sanftere Welt zu gleiten…
    Halb im Schlaf spürte sie eine Berührung in ihrem Nacken. Es war ein kleiner Stoß, feucht und warm, dann hörte sie ein Schnauben.

    »Bist du es, Klepper?«, murmelte sie. »Blöder Kerl - bist mir davongelaufen …«
    »Aber ich komme reumütig zu dir zurück«, sagte der Klepper und schob seinen Kopf über ihre Schulter, um ihr ins Ohr zu schnauben.
    »Ein Wunder, dass du mich gefunden hast …«
    »Pferde sind klüger als Menschen und finden sich auch im Nebel zurecht …«
    Sie streichelte das weiche Maul des Kleppers, froh, nicht mehr ganz allein im Nebel zu hocken, dann wurde ihr plötzlich bewusst, dass sie gerade eben ein Gespräch mit ihrem Pferd geführt hatte. Erschrocken wandte sie sich um.
    Hinter

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