Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
„Es gibt da ein paar Dinge, die du nicht weißt, die ich dir aber jetzt auch nicht erklären kann. Nur so viel: Ich bin seit zwei Tagen auf einer heißen Spur, und mir schwirren seitdem tausend blödsinnige Fragen im Kopf herum, auf die ich zu gern eine Antwort hätte. Bei dem Mord an Lokan hat es wahrscheinlich einen Zeugen gegeben, einen gewissen Frank Marin. Alastor ist an der Sache dran, aber wie es aussieht, waren die Isistöchter schneller und haben ihn zum Schweigen gebracht.“ Er legte Malthus den Arm um die Schultern und drehte sich vorsichtig zu den Wächtern um. Dann fuhr er noch leiser fort: „Xaphans Gespielinnen scheinen etwas zu wissen. Sie wirbeln augenblicklich einen Haufen Staub auf, stellen dumme Fragen und tauchen plötzlich an den unmöglichsten Orten auf. Du musst mit ihnen reden. Du kommst mit ihnen besser klar als ich.“
Dem konnte Malthus nicht widersprechen. Dagan konnte man bedenkenlos mit einem Löwen in einen Käfig sperren,aber für eine diplomatische Mission bei einer Frau war er ein denkbar ungeeigneter Kandidat.
Dagan merkte, dass er bei seinem Bruder allmählich Gehör fand. Trotzdem drängte er weiter. „Mal, überleg doch. Abgesehen davon, dass du mit Xaphans Feuerdämonen besser reden kannst als ich, ist es besser, wenn ich zu Osiris gehe. Er würde es niemals wagen, sich an Sutekhs Erstgeborenem zu vergreifen. Bei dir und bei Alastor wäre das schon etwas anderes. Da wäre ich mir nicht so sicher, und wer weiß, ob Osiris nicht auch bei Lokan seine Hände im Spiel gehabt hat. Deshalb lass mich gehen. Es ist der einzige Weg, ein Risiko zu vermeiden. Das weißt du, das weiß ich, und“, Dagans Züge verhärteten sich, „der Alte weiß das auch.“
Nur zu wahr. Natürlich kannte Sutekh dieses Risiko. Und trotzdem hatte er Malthus mit der Aufgabe betraut. Schon seltsam.
Malthus starrte einen Moment lang vor sich hin. Dann sagte er mit deutlich belegter Stimme: „Ich begreife noch immer nicht, wie das passieren konnte.“
Dagan wusste, was er meinte. Der einzige Weg, den es für einen Seelensammler gab, um aus dem Leben zu scheiden, war durch eigenen Entschluss. Das kam gelegentlich vor. Es gab Seelensammler, die es müde waren, bis in alle Ewigkeit Schwarze Seelen zu jagen, und es irgendwann vorzogen, den Weg zu den Feuerseen einzuschlagen. Das Ausschlaggebende war die eigene freie Entscheidung. Aber abgesehen davon, dass Lokan nicht ein x-beliebiger Seelensammler gewesen war, sondern der Sohn des großen Sutekh, ein Halbgott, war er immer voller Vitalität und Lebensfreude gewesen. Es war und blieb ein Rätsel, wie er zu Tode hatte kommen können.
„Alastor wird dir alles Notwendige über Marin und das Kind erzählen. Aber je mehr Zeit wir vertrödeln, umso sicherer werden wir Osiris’ Zorn auf uns ziehen. Und da ich ihn um einen Gefallen bitten will, möchte ich das vermeiden.“
„Es gefällt mir trotzdem nicht“, murrte Malthus zwar noch. Aber er wusste längst, dass sein großer Bruder sich durchgesetzt hatte. Außerdem hatte Dagan recht. Je schneller er jetzt verschwand, desto besser war es. Osiris musste mit Sicherheit zu Ohren kommen, dass statt des angekündigten einen zwei Reaper in sein Territorium eingedrungen waren. Wenn sich einer von ihnen freiwillig wieder trollte, mochte sich Osiris’ Zorn vielleicht noch in Grenzen halten.
Malthus knuffte Dagan freundschaftlich mit der Faust. „Dann pass wenigstens auf, dass dich niemand in Stücke hackt.“
Dagan grinste. „Ich werde dafür sorgen.“
* * *
Toronto, Kanada
Pyotr Kusnetzov plauderte angeregt mit seinem linken Nachbarn. Es war ein Gespräch über Belanglosigkeiten, aber Pyotr war guter Dinge. Er trank und aß, und er konnte das Festessen besonders von dem Moment an genießen, in dem er sich für sein nächstes Opfer entschieden hatte. Marie machte sich dafür wirklich perfekt.
Seine gute Stimmung war ansteckend. Es wurde gelacht und gescherzt. Pyotr hatte eine Gabe, seine Gemeinde bei Laune zu halten.
Als das Honiggebäck und das Teegeschirr abgedeckt wurden und das Mahl sich dem Ende zuneigte, trafen sich seine Blicke mit denen von denen von Djeserit Bast, die am Nebentisch am Kopf der Tafel saß. Sie stand wie Pyotr ganz oben in der Hierarchie der Setnakhts. Ein kaum merkliches Nicken von ihm genügte, und wenig später entschuldigte sie sich bei ihren Tischnachbarn, stand auf und verließ den Raum. Pyotr folgte ihr.
„Ist dir aufgefallen, dass wir Besuch von einer der Isistöchter
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