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Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde

Titel: Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eve Silver
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die Höhe hielt, hatte sie nur den einen Gedanken, dass sie auch sein Herz wollte.
    „Dagan!“, rief sie laut. Er war das Licht in ihrer Finsternis. Aber er war plötzlich verschwunden, und sie war allein. „Dagan!“, rief Roxy noch einmal. Dann hatte die eigene Stimme sie geweckt.
    Ruckartig richtete sie sich auf. Ihr Atem ging schwer. Ihre Augen waren weit aufgerissen. Dann füllten sie sich mit Tränen bitterer Enttäuschung. Es war wieder nur ein Traum gewesen. Wieder derselbe beschissene Traum.
    Roxy fuhr sich mit der Hand übers Gesicht und tastete nach dem Schalter der Lampe neben ihrem Bett. Als es hell wurde, sah sie, dass alle Kissen am Boden lagen. Die Decke und das Laken waren ein einziges Knäuel und hingen halb aus dem Bett. Aufmerksam ließ sie den Blick durch den Raum streifen und lauschte angestrengt.
    Nichts. Sie war allein. Wie immer allein. Und was noch schlimmer war und sie fast zur Verzweiflung trieb: Sie wollte nicht mehr allein sein.

8. KAPITEL
    Ich kenne deinen magischen Namen,
    und ich kenne die Namen der zweiundvierzig Götter,
    die dich im lichtvollen Saal der Wahrheit-Gerechtigkeit umringen, am Tage, wo aufgezählt vor Osiris
    die Sünden, ist das Blut der Verdammten ihre Nahrung.
    Nach dem Ägyptischen Totenbuch. Kapitel 125
    Die Unterwelt, im Reich des Osiris
    M althus Krayl wandelte den endlos scheinenden Weg entlang, der zum Saal der Wahrheit-Gerechtigkeit führte. Wie lange war er schon hier? Eine Stunde? Eine Woche? Schwer zu sagen. In Osiris’ Reich gingen die Uhren anders.
    Malthus’ Schritte hallten, als er über den Steinboden ging. Kolossale Säulen erhoben sich zu beiden Seiten. Sie waren so hoch, dass sie sich nach oben in nebligem Schatten verloren. Darüber lag nichts als stockdunkle Leere. In jeder einzelnen Säule waren dicht an dicht uralte Schriftzeichen eingehauen, die weit älter waren als jene bekannten Hieroglyphen, die der Stein von Rosette entschlüsselt hat.
    Vor jeder Säule war ein Wächter postiert. Die Wächter waren von Kopf bis Fuß in lange Gewänder gehüllt, die sogar die Gesichter verdeckten. Das Purpur ihrer Kutten war so dunkel, dass es in dem irisierenden Licht, das herrschte, fast schwarz erschien.
    „Du wirst gerichtet werden“, zischte ihm eine dieser Gestalten zu, als Malthus an ihm vorbeiging.
    Ja, das konnte er sich vorstellen.
    Unter der tief herabgezogenen Kapuze funkelte ihn ein rot glühendes Augenpaar an. Alles, was Malthus erkennen konnte, war eine Art Hundeschnauze. Es konnte auch dieSchnauze eines Schakals sein. Malthus tippte eher auf Schakal. Er kannte Anubis’ eigenartigen Sinn für Humor.
    Ein zweiter Wächter sprach ihn wenig später an. „Verschwinde von hier. Der Einzige, der passieren darf, ist Lokan Krayl.“
    „Lokan Krayl ist tot.“ Malthus fiel es unendlich schwer, es auszusprechen. „Ich bin in seiner Vertretung hier.“
    Was auch immer dieses Hier bedeuten sollte. Das Ganze sah mehr aus wie eine Scheinwelt, die Osiris für seine toten Seelen als Aufenthalt geschaffen hatte, bevor sie vor Maats Waage traten, auf der ihr Herz gewogen und sie, die Seelen, gerichtet wurden.
    Dieser Teil der Unterwelt war das Hoheitsgebiet von Osiris, ein Territorium, in das Sutekh sich nicht hineintraute. Keiner der Götter und keiner der Dämonen betrat fremdes Terrain. Das war eines der ungeschriebenen Gesetze der Unterwelt.
    Lokan bildete da eine Ausnahme. Er war Emissär, eine Art Botschafter mit der entsprechenden Immunität. Und auch eine Art Geisel.
    Diesen Job hatte Malthus nun übernehmen müssen. Wäre Lokan noch am Leben, wäre er, Malthus, ganz sicher nicht hier. Wieder wurde ihm schmerzlich bewusst, dass sein Bruder nicht mehr lebte. Er konnte sich nicht damit abfinden. Aber einer musste die Aufgabe übernehmen. Osiris ertrug nur einen festen Ansprechpartner aus Sutekhs Lager. Er war ohnehin nicht gerade ein freundlicher Gastgeber. Dennoch war auch ihm klar, dass es bestimmte Absprachen zwischen den Unterweltfürsten geben musste, hießen sie nun Osiris, Sutekh, Hades, Satan, Xaphan oder wie auch immer.
    Lokan war wie geschaffen gewesen, solche Brücken zu schlagen. Er war der geborene Diplomat. Sein Charme war unwiderstehlich. Er konnte jeden um den Finger wickeln. Von seinen Verführungskünsten bei den Gespielinnen von Xaphanganz zu schweigen. Aber Lokan war tot. Abgeschlachtet. Die Teile seines Leichnams waren wie Blätter im Wind verstreut. Und nun hatte Malthus das Los getroffen, an seine Stelle zu treten und

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