Herzenssünde - Silver, E: Herzenssünde
sich nicht hatte erklären können. Denn für Seelensammler gab es nur zwei Grundzustände: äußerste Wachsamkeit und den tiefen, traumlosen Schlaf. Und dennoch war Roxy ihm mit den Jahren immer häufiger erschienen, lachend, vor Leben sprühend, manchmal aber auch nackt und brennend vor Verlangen.
Einmal hatte er seine Brüder ganz allgemein und unverfänglich gefragt, ob sie auch schon einmal solche Erscheinungen gehabt hatten. Da sie offensichtlich nicht einmal gewusst hatten, wovon er sprach, als er versucht hatte, das Phänomen zu beschreiben, hatte er das Thema schleunigst wieder fallen gelassen.
„Hat jemand eine Ahnung, was Xaphans Damen hier gesucht haben könnten?“, erkundigte sich Alastor.
„Ostereier“, antwortete Roxy vorlaut.
„Sie wollten Informationen“, fuhr Dagan ihr in die Parade und warf ihr einen warnenden Blick zu. Ihm war lieber, sie würde den Mund halten. Je weniger sie Gahijis Aufmerksamkeit auf sich lenkte, desto besser. „Ich hatte Malthus schon losgeschickt. Er sollte Xaphans Gespielinnen finden, weil die sich so intensiv nach Frank Marin erkundigt hatten.“
Dagan merkte, dass Gahiji aufhorchte. Er war dabei gewesen, als Sutekh Dagan den Auftrag erteilt hatte, Joe Marins Schwarze Seele zu holen. Zweifellos machte Gahiji sich jetzt seinen Reim darauf und wusste, dass zwischen den beiden Männern mit demselben Familiennamen eine Verbindung bestehen musste.
Zum Glück hatte Roxy seine Warnung, sich aus dem Gespräch herauszuhalten, verstanden und hielt sich daran. Dass ihr die Feuerdämonen in jenem Motel, aus dem sie Dana geholt hatte, schon beinahe begegnet waren, behielt sie für sich. Auch Dagan verlor kein Wort darüber. Ihm wurde die ganze Situation immer unbehaglicher, und bevor er nicht alle Zusammenhänge kannte, hielt er es für klüger, so wenig Detailswie möglich zu verraten. Vor allem solange Gahiji, der Maulwurf seines Vaters, zuhörte.
„Nett, dass du gekommen bist, Alastor“, meinte er dann zu seinem Bruder. „Aber ich glaube, wir kommen jetzt gut allein klar.“ Ein Wink mit dem Zaunpfahl. Alastor sollte sich Gahiji schnappen und schleunigst verschwinden. „Und sie“, Dagan deutete mit dem Kinn auf Roxy, „bleibt hier.“
„Wie so?“
Dagan fuhr mit dem Kopf herum. Dass Gahiji den Mund aufmachte, war höchst ungewöhnlich. Noch weniger gehörte es zu seinen Angewohnheiten, Fragen zu stellen.
„Was soll die Frage? Willst du wissen, warum ich sie hier behalte oder warum ihr jetzt gehen sollt?“
„Bei des.“
„Ihr könnt gehen, weil ich kein Kindermädchen brauche, ganz egal, was der Alte erzählt. Und sie bleibt hier, weil ich noch nicht mit ihr fertig bin.“
Roxy runzelte kurz die Stirn, bevor sie sagte: „Ihr könnt euch gern weiter unterhalten, Jungs. Ich gehe.“
Sie hatte sich bereits halb abgewandt, als Dagan sie am Handgelenk packte.
Ihr Blick fiel sofort auf die Hand, mit der er sie festhielt. „Pass lieber auf! Du hast nur noch diese eine Hand.“
Dagan musste lachen. Diese Frau war köstlich. Sie amüsierte ihn. Und sie reizte ihn. Er versuchte sich vorzustellen, wie es sich anfühlen musste, ihr die Zunge in den Mund zu schieben und dabei ihren Körper zu spüren, ihre Brüste zu streicheln. Schnell ließ er ihre Hand los, und das half wenigstens ein wenig, um wieder klarer zu denken. Dagan war allerdings auch nicht entgangen, dass der kurze Körperkontakt auch bei Roxy nicht ohne Wirkung geblieben war. Er hatte gespürt, wie ihr Puls plötzlich gestiegen war.
„Gut, dann sind wir hier fertig?“, fragte Alastor.
Dagan wusste jetzt schon, dass diese Nacht noch einNachspiel haben würde und er eine Menge unangenehmer Fragen würde beantworten müssen. Aber solange das nicht vor Gahiji geschah, machte es ihm nichts aus. Die ganze Zeit hatte der alte Reaper Roxy nicht aus den Augen gelassen. Und je schärfer er sie beobachtete, desto nervöser wurde Dagan.
„Was machen denn Xaphans Bräute?“, fragte Roxy. „Sind sie einfach verschwunden, oder was?“
„Die haben sich krankgemeldet. Burn-out-Syndrom.“ Alastor wollte sich über den eigenen Witz kaputtlachen.
Dagan zuckte nur die Schultern. Er kannte seinen Bruder und dessen sonderbaren Humor.
Etwas, das Gahiji vollkommen fremd war. Betont milde fragte er Roxy: „Was weißt du über Xaphan und seine Gespielinnen, Erdling?“
Roxy war verwirrt. Angestrengt spähte sie ins Dunkle, um den Sprecher zu erkennen. „Nichts. Warum erzählst du mir nicht, was du
Weitere Kostenlose Bücher