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Herzenstimmen

Herzenstimmen

Titel: Herzenstimmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Sendker
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fragte der Doktor in überraschend gutem Englisch.
    »Mein Bruder hat seit einiger Zeit einen schweren Husten, der mit jedem Tag schlimmer wird. Wenn er hustet, bekommt er kaum noch Luft.«
    Der Arzt musterte U Ba skeptisch. »Ist Ihr Bruder Burmese oder Ausländer?«
    »Burmese«, erwiderte ich irritiert. »Warum?«
    »Unser Krankenhaus ist sehr voll. Sie haben es gesehen.« Er machte eine kurze Pause, als müsse er seine Worte sorgsam abwägen. »Einen Fremden könnte ich im Notfall bevorzugt behandeln, einen Burmesen nicht. Wäre es Ihnen vielleicht möglich, in ein paar Tagen wiederzukommen?«
    »In ein paar Tagen?« Ich war nicht sicher, ob ich ihn richtig verstanden hatte.
    »Ja, heute Abend, morgen und übermorgen ist es wirklich sehr schwierig. Es tut mir leid«, sagte er lächelnd. Selbst ich erkannte, um welche Art von Lächeln es sich handelte.
    »Lass uns gehen, Julia«, hörte ich U Ba hinter mir sagen.
    »Nein«, erklärte ich entschieden, »wir können nicht in ein paar Tagen wiederkommen. Mein Bruder ist krank. Er braucht Hilfe.«
    Der junge Arzt lächelte noch immer, jedoch war ich mir nun nicht mehr sicher, was sich dahinter verbarg.
    »Vor der Tür liegen viele Kranke, die unsere Hilfe brauchen.« Er machte noch einmal eine kurze Pause. »Es tut mir wirklich leid.«
    »Julia, bitte.«
    Ich holte aus meiner Tasche zwei Hundertdollarnoten und legte sie auf den Tisch.
    Der Arzt schaute das Geld lange an, dann ging sein Blick zwischen mir und meinem Bruder hin und her. Ein trauriges Lächeln lag in seinen Zügen. Hinter mir vernahm ich U Bas tiefes Seufzen.
    Der Doktor zögerte, erhob sich schließlich, steckte die Scheine ein und ging zur Tür. »Folgen Sie mir bitte.«
    Wir liefen einen Gang entlang, der ebenfalls von Kranken bevölkert war. U Ba schlich, den Kopf gesenkt, ohne meine Blicke zu erwidern, hinter uns her. Der Arzt führte uns in einen Raum, in dem noch vier andere Patienten gleichzeitig untersucht wurden. Er bat meinen Bruder, sich zu set zen, den Oberkörper frei zu machen, tief ein- und auszuatmen, und horchte ihn ab. Er betastete Kopf, Nacken, Schultern und Brust, schaute ihm in den Hals und die Ohren, runzelte die Stirn. U Ba ließ alles über sich ergehen, ohne aufzu schauen.
    »Haben Sie Schmerzen in der Brust, wenn Sie tief Luft holen?«, fragte er auf Englisch.
    »Nein«, erwiderte mein Bruder leise.
    »In den Achseln, vielleicht?«
    »Nein.«
    »Spucken Sie Schleim aus beim Husten?«
    »Manchmal.«
    »Viel?«
    »Mal mehr, mal weniger.«
    »Ist der Schleim blutig?«
    U Ba schüttelte stumm den Kopf.
    »Bestimmt nicht?«, fragte der Arzt und schaute dabei mich an.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Ihr Bruder hat vermutlich eine schwere Bronchitis. Die Lunge würde ich gern röntgen.«
    Das Röntgengerät sah aus, als wäre es ein Überbleibsel aus der britischen Kolonialzeit.
    Nach einer guten Stunde, die U Ba und ich schweigend nebeneinander verbrachten, erschien der Doktor wieder. Er hielt ein paar Papiere in der Hand und setzte sich zu mir.
    »Ihr Bruder hat tatsächlich eine schwere Bronchitis. Wir haben auf dem Röntgenbild in der Lunge außerdem noch einen Rundherd entdeckt. Er könnte die Ursache für die Entzündung sein.«
    »Ein Rundherd?«, fragte ich erschrocken.
    »Eine Art rundlicher Schatten auf der Lunge.«
    »Was bedeutet der?«
    »Er kann eine Menge bedeuten«, antwortete er ausweichend.
    »Was zum Beispiel?«
    »Er könnte auf eine akute Tuberkulose hindeuten, was ich aus verschiedenen Gründen für unwahrscheinlich halte. Auch eine ausgeheilte Tuberkulose wäre möglich. Oder der Schatten könnte der Rückstand einer alten, verheilten Entzündung sein. In diesem Fall wäre er völlig ungefährlich. Oder …« Er kniff die Lippen zusammen und stockte.
    »Oder?«
    »Er ist ein Zeichen für eine ernstere Erkrankung.«
    »Was für eine ernstere Erkrankung?«
    »Da gibt es einige.«
    »Welche?«, wollte ich ungeduldig wissen.
    »Im schlimmsten Fall Lungenkrebs.«
    Ich spürte ein Stechen im Magen. Atemnot.
    »Es gibt Untersuchungen, mit denen man feststellen kann, ob es so bösartig ist«, fügte er schnell hinzu. »Aber die können wir hier nicht durchführen. Für kein Geld der Welt.«
    Ich verstand den Hinweis. »Wo denn?«
    »In ihrem Land.«
    »Auch nicht in Rangun?«
    »Nein. Vielleicht in einem der Militärhospitäler, das kann ich Ihnen nicht sagen. Aber da hätte Ihr Bruder keinen Zugang. Oder haben Sie einen General der burmesischen Armee in der

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