Herzflimmern
ihre Zeit zwischen Patienten und Familie zu teilen, schien Ruth es darauf anzulegen, jede freie Minute mit neuen Projekten vollzustopfen.
Wie diese Gesprächsgruppe, die sie initiiert hatte. Und ausgerechnet am Freitag abend. Warum hatte sie sich das nun auch noch einfallen lassen müssen?
»Arnie?« Sie kam ins Wartezimmer. »Ich wußte gar nicht, daß du kommen würdest.«
Er sprang auf. »Ich wollte einfach bei dir sein, wenn du es erfährst.«
Sie schob ihre Hand in die seine und lächelte ihn an. »Ich bin froh.«
Und Arnie dachte: Es ist dieses Kind. Es ist die Sorge um das Kind, die sie dazu treibt, jede Minute mit Aktivitäten auszufüllen. Wenn das alles erst vorbei ist …
»Weißt du was?« sagte Ruth auf dem Weg zur Tür. »Sie kann uns gleich sagen, welches Geschlecht das Kind hat. Fünf Monate vor seiner Geburt!« Sie drückte fest seine Hand. »Hoffentlich wird es ein Junge.«
{230}
27
Jason Butler wußte, daß er tot war. Er wußte es, weil er hörte, wie jemand es sagte. Doch wenn er wirklich tot war, wieso fühlte er dann immer noch Schmerz? Und wieso fummelte diese schöne Blondine an ihm herum, als wäre er noch am Leben?
Die Antwort dämmerte ihm, als sein Bewußtsein sich langsam verdunkelte: Nicht tot. Ich sterbe. Ich liege im Sterben.
»Kein Puls mehr, Doktor!«
Sofort begann das Team mit Wiederbelebungsversuchen. Mickey massierte die Brust des jungen Mannes auf der Trage, während die Defibrillatoren vorbereitet wurden. Dann sagte sie, »Zurücktreten«, und der Junge auf der Trage zuckte. Alle sahen auf den Kardiographen. »Noch einmal«, sagte Mickey. Und diesmal wirkte es.
Im Flur der Notaufnahme des Great Victoria Krankenhauses standen zitternd zwei junge Männer mit Badetüchern um die Schultern. Das lange Haar hing ihnen in salzfeuchten Strähnen auf die Schultern, die weiten Surfshorts klebten naß an ihren Körpern. Sie zitterten nicht, weil ihnen kalt war, sondern weil sie Angst hatten. Sie wußten nicht, ob sie den Freund noch rechtzeitig aus dem Wasser gezogen hatten.
Der achtzehnjährige Jason Butler, ein hervorragender Surfer, und seine beiden Freunde hatten es mit den vierzig Fuß hohen Brechern am Strand von Makaha aufnehmen wollen. Niemand konnte genau sagen, was geschehen war: Eben noch hatte Jason auf seinem Brett gestanden und die Welle mit dem Selbstvertrauen und der Sicherheit genommen, die man bei ihm gewohnt war; im nächsten Moment war er plötzlich im Wasser und wurde ins Meer hinausgerissen. Das vom Wasser herumgeschleuderte Surfbrett hatte ihm schwere Verletzungen beigebracht. Als seine Freunde ihn herauszogen und sein zertrümmertes Gesicht sahen, glaubten sie, einen Toten gerettet zu haben.
Doch Jason Butler war noch am Leben, und das Team in der Notaufnahme bemühte sich, dieses Leben, das nur an einem seidenen Faden hing, zu erhalten.
Als Mickey vier Stunden später aus dem Operationstrakt kam, war Jason auf dem Weg zur Intensivstation. Drei Operateure, Mickey unter ihnen, hatten sich um ihn bemüht. Alles, was sie zu diesem Zeitpunkt für den Jungen hatten tun können, war ihn zu stabilisieren. Während Mickey die zertrümmerten Gesichtsknochen mit Drähten zusammengefügt und die zahlreichen Schnittwunden genäht hatte, hatten zwei orthopädische {231} Chirurgen Jason das rechte Bein abgenommen. Er war immer noch bewußtlos, und sein Zustand war kritisch, die schweren Blutungen hatten gestillt werden können, doch sein Puls und seine Atmung waren stabil.
Man hatte Mickey gesagt, daß im Warteraum der chirurgischen Station der Vater säße. Sie fand den Mann ganz allein, blicklos vor sich hin starrend.
»Mr. Butler?« Sie bot ihm die Hand. »Ich bin Dr. Long.«
Er sprang auf und nahm ihre Hand. »Wie geht es meinem Sohn, Doktor?«
»Ich kann nur sagen, den Umständen entsprechend.«
»Dann lebt er?«
»Ja, er lebt.«
»Gott sei Dank«, sagte Butler und sank wieder auf das Sofa.
Mickey setzte sich ihm gegenüber in einen Sessel, um ihm über Jasons Zustand zu berichten und zu erläutern, was sie unternommen hatten, um sein Leben zu retten.
»Ihr Sohn hat an Hals und Kiefer schwere Verletzungen erlitten, Mr. Butler. Die haben wir zuerst versorgt, um sicherzustellen, daß er atmen kann. Aber wir sind leider noch nicht aus dem Gröbsten heraus. Ehe wir weitere Untersuchungen vornehmen können, muß Jasons Zustand sich stabilisieren. Er hat einen Schädelbruch und möglicherweise weitere Verletzungen. Das ganze Ausmaß kennen wir noch
Weitere Kostenlose Bücher