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Herzflimmern

Herzflimmern

Titel: Herzflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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verklammerten sich förmlich ineinander, der Mund verzog sich zu einem unnatürlichen Grinsen, der Rücken wölbte sich unnatürlich, Arme und Beine spannten sich derartig, daß Ouko in die Höhe gerissen wurde und die Matratzte nur noch mit Ellbogen und Fersen berührte.
    Während Sondra noch voller Entsetzen auf den Jungen starrte, hörte der Krampf so plötzlich auf, wie er gekommen war. Ouko fiel erschöpft nieder. Sondra drehte sich nach Derry um. Der tippte auf seine Uhr, dann öffnete und schloß er beide Hände mit ausgestreckten Fingern zweimal. {185} Der Anfall hatte zwanzig Sekunden gedauert. Zwanzig Sekunden qualvoller Schmerzen, die Ouko bei vollem Bewußtsein hatte aushalten müssen.
    Draußen in der stillen Nacht schrie ein Vogel. Oukos Körper spannte sich von neuem an. Sondra schluchzte auf. Sie merkte, wie Derry sich umdrehte und davonrannte. Einen Augenblick später kam er mit einer Spritze wieder. Sobald Oukos Anfall nachließ, spritzte Derry ihn in den Oberschenkel.
    »Seconal«, flüsterte er Sondra zu. »Ich glaube allerdings nicht, daß es helfen wird.«
    Sie blieben noch einen Augenblick an Oukos Bett. Der Junge sah aus großen, verständnislosen Augen zu ihnen auf. Dann nahm Derry Sondra beim Arm und zog sie mit sich vom Bett weg. Vorn am Schwesterntisch befahl er der Schwester, sich zu Ouko ans Bett zu setzen.
    »Aber machen Sie keine Geräusche oder plötzliche Bewegungen«, sagte er. »Das löst sofort einen Krampf aus.«
    Dann ging er mit Sondra in die kühle Nacht hinaus.
    »Was können wir nur tun?« fragte sie und umschlang fröstelnd ihren Oberkörper mit beiden Armen.
    »Gar nichts«, antwortete er ruhig. »Wir können nur abwarten. Der Junge hat keine Chance. Die Krämpfe werden ihn umbringen, ehe sein Körper das Gift ausscheiden kann.«
    »Aber wir können doch nicht einfach tatenlos zusehen, wie er von einem Krampf in den nächsten fällt.«
    Derrys Augen waren zornig, als er sie ansah.
    »Ich habe hundert solcher Fälle erlebt. Gegen Wundstarrkrampf kann man nichts ausrichten. Nichts wirkt. Ich habe es mit Demerol, Seconal und Valium versucht. Man kann nur abwarten, bis das Gift endlich aus dem Körper ausgeschieden wird.«
    »Dann müssen wir Ouko eben so lange am Leben halten, bis das geschieht.«
    Derry schüttelte den Kopf. »Sie erhoffen das Unmögliche. Er hat eine der schwersten Formen der Krankheit, die ich je gesehen habe. Sehr bald schon wird einer dieser Krämpfe entweder seine Atemmuskulatur lähmen, und er wird ersticken, oder es wird ihm das Rückgrat brechen.«
    »Wir könnten ihn lähmen«, sagte Sondra. »Mit Curare können wir die Muskeln lähmen und die Krämpfe unterbinden.«
    »Aber atmen kann er dann auch nicht mehr.«
    »Wir können einen Luftröhrenschnitt machen und eine Trachealkanüle einsetzen.«
    {186}
    »Das würde nichts helfen. Er müßte künstlich beatmet werden, und wir haben kein Atemgerät.«
    »Wir können es manuell machen. Die Schwestern können –«
    »Es hat trotzdem keinen Sinn.«
    »Warum nicht?«
    »Selbst wenn wir seine Atmung stützen, wie wollen wir ihn ernähren? Der Krankheitsverlauf erstreckt sich über Wochen. Über so lange Zeit könnten wir ihn mit dem Tropf nie am Leben halten, Sondra. Es hat keinen Sinn. Für den Jungen ist es das Beste, wenn er bald stirbt.«
    »Das kann nicht Ihr Ernst sein!« rief sie unterdrückt. »Wir können doch nicht einfach aufgeben!«
    »Glauben Sie denn, daß ich ihn
nicht
retten will?« entgegnete Derry erbittert. »Wenn Sie eine Ahnung hätten, wie oft ich es schon versucht habe! Erst die Sedative, dann der Luftröhrenschnitt, und dann können wir nur noch zusehen, wie sie langsam verhungern; wie sie dazwischen immer wieder und immer wieder hilflos den schrecklichen Krämpfen ausgesetzt sind, eine Qual, wie man sie sich grausamer nicht vorstellen kann. Am Ende ist man froh, wenn sie sterben.« Zorn und Bitterkeit mischten sich in seinem Gesicht, als er Sondra ansah. Die Atmosphäre zwischen ihnen war aufgeladen. Dann sagte er leise: »Keine Kunststückchen, Sondra. Beim ersten Herzstillstand lassen wir ihn sterben.«
    Sie starrte ihn ungläubig an. »Sie verurteilen den Jungen zum Tod!«
    »Das ist meine unwiderrufliche Anweisung.« Damit drehte er sich um und ging.
     
    Derry ging bis zum Zaun, der die kleine Missionssiedlung umgab. Jenseits dieses Zauns war eine Welt, in der der Mensch mit seinen Schwächen nichts zu suchen hatte, wild und ungezähmt. Am Zaun drehte sich Derry um und

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