Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
Vom Netzwerk:
Wenigstens schien heute einmal die Sonne. Aber es war schweinekalt. Anhand der Temperatur hätte man nie darauf getippt, dass heute Karfreitag war.
    „Sabina! Komm ´rein“. Meine Mutter umarmte mich und hielt mich ein Stück von sich ab. Sie trug eine schwarze Jeans und einen Ringelpulli. Das dunkle Haar hatte sie lässig hochgesteckt, und hinter ihrer modischen Brille leuchteten mir ihre grauen Augen entgegen.
    „Du siehst super aus.“Sie zwinkerte.
    „Ich wusste ja, du bist verliebt.“
    „MAMA.“ Ich rollte mit den Augen.
    „Doch, wirklich. Das sieht man. Jo, guck mal. Sieht unsere Tochter nicht eindeutig verliebt aus?“
    Mama konnte einen manchmal wirklich in Verlegenheit bringen.
    Mein Vater zog mich in seine Arme und sagte laut: „Unsere Tochter ist doch immer schön. Komm ´rein und iss was mit uns, Sabinchen.“ Sabinchen – hoffentlich nannten sie mich nicht so, wenn sie mal Leo begegnen sollten. Ich hasste diesen Spitznamen.
    In der sonnigen Wohnküche gab es einen großen Esstisch, den wir alle sehr liebten. Unsere Sonntagsfrühstücke an diesem Tisch waren legendär. Meistens begannen sie nicht vor zehn Uhr, und wir zelebrierten sie als Familien-Event. In der Woche sahen wir uns nicht oft. Dafür holten wir alle Gespräche und alle versäumte Zeit sonntags nach. Als Kinder hatten wir aus der Schule erzählt, und als wir älter waren, diskutierten wir mit unseren Eltern über Politik, unsere Erziehung und alles, was man in der Pubertät noch so auf dem Herzen hat. Wenn ich an zu Hause dachte, dann zuerst an diesen Tisch aus massivem Eichenholz, der jede Renovierung und Erneuerung unseres Hauses überdauert hatte.
    Heute warteten an diesem Tisch ein weich gekochtes Ei, mehrere Sorten Brötchen und eine Lage Lachs mit Meerrettich auf mich.
    „Danke, dass ich kommen durfte. Bei mir war Ebbe im Kühlschrank. Habe vergessen einzukaufen.“
    Meine Mutter schmunzelte. „Kann ja mal passieren – in deinem Zustand.“
    Bitte? In was für einem Zustand?
    „Mama. Ich befinde mich in keinerlei Zustand. Außer dem der gestressten Examenskandidatin.“
    „Ja, ja. Schon gut. Aber was hast du mit deinem Freund gemacht? Wo frühstückt der denn heute?“
    Ich hätte wissen müssen, dass meine Mutter ihr Fragespiel fortsetzte, und seufzte.
    „Mensch Mama, der muss heute arbeiten. Ein Tatort. Er ist bei der Kripo.“
    Meine Eltern wussten, was damit gemeint war. Als Rechtsanwalt kannte mein Vater genügend Strafakten und wusste, wie die Ermittlungen geführt werden.
    „Schade. Bringst du ihn am Sonntag mit? Es gibt Lammkeule.“ Stimmt ja. Ich hatte ja zugesagt, Ostersonntag zum Essen zu kommen.
    „Ich weiß noch nicht, Mama. Ich glaube nicht. Wir kennen uns doch erst seit letzter Woche.“
    In den letzten zwei bis drei Jahren hatte ich niemanden mit nach Hause gebracht. Und ganz bestimmt würde ich Leo nicht darum bitten, mich zu begleiten. Er war ein freier Mensch und ich auch. Und das würde so bleiben. Ich würde Leo keine Gelegenheit geben, mir vorzuwerfen, dass ich ihn vereinnahmen wolle.
    „Nun lass sie doch mal damit in Ruhe, Julia“, mahnte mein Vater. „Erzähl lieber mal, ob du schon Noten bekommen hast.“
    Mein Examen war für meine Eltern ein unerschöpfliches Thema. Welche Fächer hatte ich geschrieben, wie waren die Fälle gewesen, die ich lösen musste, war es sehr schwierig gewesen?
    Die wichtigste Frage für sie aber (außer der nach meiner männlichen Begleitung) war die, ob und wann ich in der Kanzlei meines Vaters anfangen würde. Um die Antwort darauf hatte ich mich bislang erfolgreich herumgedrückt. Doch lange würde das nicht mehr gut gehen. Spätestens, wenn meine Noten und die Ladung zur mündlichen Prüfung kamen, würde ich mit der Sprache herausrücken müssen. Und ich hatte immer noch keinen blassen Schimmer, was ich dann sagen sollte.
    Wie groß wäre ihre Enttäuschung, wenn ich woanders arbeiten wollte? Hatte ich wirklich Lust auf ein Dasein zwischen Schreibtisch und Gericht? Wollte ich wirklich Nachbarschaftsstreitigkeiten um falsch montierte Briefkästen, auslaufende Aquarien und inkorrekt gezogene Grundstücksgrenzen austragen?
    Konnte ich nicht einfach so etwas wie Danni Lowinski werden? Eine Anwältin, die gegen das Böse kämpft und dabei jede Menge Spaß hat? Es musste ja nicht unbedingt ein Schreibtisch im Keller des Einkaufszentrums sein, so wie in der Fernsehserie.
    „Was macht eigentlich Max?“ lenkte ich darum bald ab vom Thema „Examen“. Mein Bruder

Weitere Kostenlose Bücher