Herzgefaengnis
Schon wieder so ein Scheiß-Tatort.“ Warum wurde die Musik nur immer lauter? Dr. Dr. Jahnke würde gleich wieder klopfen .
„JA.“ Endlich. Der Mann neben mir hatte den Knopf gefunden, der den Lärm abstellte. Er saß auf der Bettkante und gewährte mir einen ungehinderten Blick auf seine überaus ansehnliche Rückseite, während er in sein Diensthandy bellte.
„Ja – nein, nehmen Sie den Fotografen gleich mit. Doch, ich bin gleich da. Nein, Sie brauchen mich NICHT abzuholen. Ja. Bis gleich.“
Leo. Ach ja – wir waren ja seit Kurzem … zusammen? Die Erinnerung an den gestrigen Abend kehrte nur langsam zurück. Es war noch so früh, und ich war alles andere als ausgeschlafen. Ein Lächeln breitete sich auf meinem Gesicht aus, als ich daran dachte, was wir alles gemacht hatten. Obwohl wir uns gerade mal eine Woche kannten. Genau genommen fehlten daran sogar noch einige Stunden.
Anstatt aufzustehen, legte sich Leo noch einmal hin und schloss mich in seine Arme.
„Guten Morgen, mein Schatz“, hauchte er in mein Haar. „Tut mir leid, dass ich jetzt weg muss. Keine Ahnung, wie lange das dauern wird. Ich will dich heute Abend wieder sehen. Kannst du das möglich machen?“
„Wßnchnicht“, nuschelte ich verschlafen an seiner Brust. „Muss arbeiten …“ Er roch so gut.
„Ich ruf dich an.“ Er küsste mich auf die Stirn und verschwand unter der Dusche. Er sang „Heaven, I´m In Heaven“, fast so wie Fred Astaire. Nur mit etwas tieferer Stimme.
„… and my heart beats so that I can hardly speak …“ summte ich mit, während ich wenigstens die Andeutung eines Frühstücks zustande zu bringen versuchte. Eine Tasse Kaffee, und im Kühlschrank entdeckte ich sogar noch ein Aufbackbrötchen. War das noch essbar? Die Geruchskontrolle fiel positiv aus, und ich toastete es. Würde ich Leo morgens jetzt öfter im Stehen seinen Kaffee herunterstürzen sehen? Essen Männer Nutella? Ich kramte in meinem Junggesellinnen-Küchenschrank. Warum nur wusste ich nicht, wie man Frühstück für einen Mann macht? Verdammt, was machte Mama denn jeden Morgen? Gar nichts , erinnerte mich mein Stolz. Zu Hause macht dein Papa das Frühstück.
Gut, dass du mich gerade jetzt daran erinnerst. Vielen Dank auch.
Egal, Nutella musste reichen. Ich konnte doch diesen wundervollen Mann nicht einfach ohne Frühstück aus dem Haus lassen. Den einzigen Mann, den ich bisher in diese Wohnung gelassen hatte.
Ich huschte ins Bad, putzte mir die Zähne und richtete meine sehr verwuschelten Haare. Hilfe, ich hatte keinen Morgenmantel! So ein Ding hatte ich bisher nicht gebraucht. Mist. Na gut, schadete ja nichts, wenn er mich zum Abschied noch mal nackt sah.
„Du versüßt mir mein Frühstück“, schmunzelte Leo und verschlang mich mit einem heißen Blick. Das Nutellabrötchen war schon fast vertilgt. „Danke, dass du das für mich gemacht hast.“
„Ich hätte dir gern was Richtiges geboten“, sagte ich ein wenig beschämt wegen des kärglichen Angebots.
„Oh nein, das ist schon genau richtig. Und -“ Sein Blick vertiefte sich und hielt mich gefangen. „Geboten hast du mir doch gestern schon genug. Und dann dieser fantastische Anblick.“ Er lächelte, und mein Herz schmolz.
„Oh Leo … ich …“
„PSSST – ich weiß doch.“ Damit legte er mir die Hand auf den Mund. „Du willst mir nur Gutes. Hast du gestern zu mir gesagt. Das ist so süß von dir.“ Sein Kuss schmeckte ein bisschen nach Nutella.
Als er in der Wohnungstür stand, sagte er: „Übrigens würde es mir überhaupt nichts ausmachen, wenn du heute Abend nichts anhättest, wenn ich komme.“
Ich boxte ihm zum Abschied auf die Schulter.
Feiertag und noch nicht mal vernünftiges Frühstück im Haus. Morgen würde ich als erstes ein paar Einkäufe machen. Doch jetzt brauchte ich erst einmal irgendeine Stärkung. Ich fuhr zu meinen Eltern.
Von unterwegs rief ich kurz an, um sie vorzuwarnen, dass ich jetzt zum Frühstück käme.
„Kann ich was mitbringen?“
„Du meinst, Brötchen von der Tanke?“, zog mein Papa mich auf. Er machte sich gerne über meine etwas spärlichen Küchenvorräte lustig.
„Mensch, Papa. Ich frag doch nur.“
„Komm einfach, wie du bist. Wir freuen uns doch.“
Meine Eltern wohnen in Zehlendorf, in einer kleinen, umgebauten Villa aus den 30er Jahren. Mein Elternhaus. Die Blumenkübel am Eingang hatten noch eine Winterschutzhülle um, und die Hainbuchenhecke trug immer noch die alten, braunen Blätter aus dem letzten Jahr.
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