Herzgefaengnis
blass.“
Dankbar nahm ich einen Schluck. Scharf und heiß ätzte sich der Weinbrand durch meine Kehle. Ich schüttelte mich. Leo betrachtete mich mit schmalem Blick. Die Falte auf seiner Stirn war immer noch da. Er setzte sich mir gegenüber. Mein Herz schlug bis zum Hals, als er sagte: „Die Kollegen kannst du ruhig anschwindeln. Aber nicht mich. Irgendetwas stimmt hier nicht. Und das wirst du mir jetzt sofort sagen. Bitte.“
Ich genehmigte mir noch einen Schluck. Mut antrinken. Sein Ton war unnachgiebig, fast streng.
„Leo, ich – da gibt es eine Person, die mich verfolgt. Mit E-Mails, SMS und so. Ich hab´ es dir nicht gesagt. Ich dachte, das alles mit uns – das ist noch zu frisch. Verstehst du? Ich wollte dich nicht damit belasten.“ Noch ein Schluck. Hust.
Er sprang auf, sein Blick war flammender Zorn. Ich zuckte zurück, als ich ihn so sah. Er knirschte mit den Zähnen und presste mühsam beherrscht hervor: „Nigerianische Prinzen. Alles klar. Seit wann geht das so? Warum sagst du nichts davon?“ Seine Augen durchbohrten mich. Es war nicht nur Wut darin zu lesen. Angst? Schmerz? Von allem ein bisschen.
Ich griff nach seinen Händen. Er entzog sie mir mit einer ruckartigen Bewegung, die mir ins Herz schnitt.
„Bitte, Leo“, flüsterte ich. „Ich dachte, es hört von alleine auf. Wenn ich nicht reagiere.“
„Dein Auto ist nur der Anfang. Ich möchte nicht dabei zusehen, wie sie dich aus der Spree ziehen. Hörst du?“ Er redete sich in Rage. „Solche Typen hören nicht auf. Es sei denn, man zwingt sie dazu. Ist dir das denn nicht klar?“
Er begann, auf und ab zu laufen, wie ein Panther im Käfig.
„Ich habe mir schon so etwas gedacht. Du zuckst zusammen, wenn dein Telefon klingelt. Du meldest dich nie mit Namen. Du wirst blass, wenn eine E-Mail kommt. Denkst du, so was fällt mir nicht auf? Sag´ mir, wie lange das schon geht.“ Er war bleich, presste die Lippen zusammen.
„So etwa seit sechs Wochen.“ Es war schwieriger, als ich befürchtet hatte. Viel schwieriger.
Er packte mich bei den Schultern. „Warum vertraust du mir nicht?“ stieß er hervor. „Glaubst du wirklich, du kannst mich jetzt noch aus deinem Leben heraushalten? Ich habe das nicht verdient. Ich bin nicht dein Zeitvertreib. Und ich verlange, dass du mir alles Wichtige sagst.“ Seine Finger bohrten sich in meine Schultern. Die Wut in seinen Augen wich einem Ausdruck von Schmerz. Er senkte den Blick, als er es merkte.
„Was hätte es denn geändert, wenn ich uns damit das Wochenende versaut hätte. Ich wollte doch nur, dass du dir keine Sorgen machst.“ Ein Kloß saß in meinem Hals, als ich ihn so sah.
„Ich bestimme immer noch selbst, worum ich mir Sorgen mache“, herrschte er mich an. „Und wenn es etwas gibt, das dich in Gefahr bringt – mein Gott!“ Er ließ die Hände sinken. „Ich hasse es, wenn du mir nicht vertraust.“
Ich hatte Mühe, mit diesem Kloß im Hals zu sprechen. „Leo, ich vertraue dir doch. Das musst du doch fühlen.“ Meine Augen füllten sich mit Tränen. Ich blickte herab, damit er es nicht sah. Ich konnte ihm niemals alles verraten. Er würde mich verachten. Mich verlassen. Oder auslachen.
„Das tust du nicht. Du behauptest es nur. Das fühle ich. Hatte ich dich nicht gebeten, mich nicht zu verarschen?“ Seine Worte schmerzten mehr als der Verlust meines fahrbaren Untersatzes.
„Leo ... Leo, bitte, ich will doch, dass du alles weißt. Aber – ich habe solche Angst.“ Ich konnte nicht weiter sprechen.
Er schnaubte. „Angst – ja klar. Ich bin ja wohl auch der Stalker.“ Seine Stimme triefte vor Sarkasmus.
„Nicht vor dir.“ Ich rang um das letzte Bisschen Beherrschung. „Nur davor, dich zu verlieren.“
„So schnell wirst du mich nicht los. Außer, wenn du so weitermachst.“ Seine Stimme wurde weicher. „Wenn du mich ausschließt aus deinem Leben. Deinen Gedanken.“ Er zögerte. Sein Blick ging über mich hinweg in die Ferne. Einen Augenblick verharrte er so, während mir die Tränen über das Gesicht liefen. Oh Scheiße. Ich ließ sie einfach laufen. Stumm.
Mit einem Ruck schien er sich meiner Gegenwart wieder bewusst zu werden, und er schaute mir in die Augen. Entschlossen, als hätte er sich gerade zu etwas Schwierigem und Unangenehmen durchgerungen. Dass mir die Tränen herabliefen, schien er gar nicht zu bemerken.
„Hast du noch gar nicht gemerkt, wie viel mir an dir liegt? Viel mehr als an allen anderen Frauen, die ich jemals kannte. Und du … du
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