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Herzgefaengnis

Herzgefaengnis

Titel: Herzgefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greta Schneider
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gut tut, weine ruhig. Ich bin hier, und hier kann niemand dir was tun. Wir sind hier beide ganz allein, und es ist abgeschlossen. Niemand wird hier reinkommen.“ Ich redete weiter auf sie ein, so besänftigend, wie ich konnte. „Sei ganz ruhig. Ich passe auf dich auf.“
    Jetzt wusste ich, warum die Bewacherin uns aufgefordert hatte, aufeinander zu achten. Ich holte ein wenig Klopapier und reichte es ihr. Immer wieder murmelte ich Beruhigendes, bis ihre Tränen versiegten. Es dauerte bestimmt eine halbe Stunde.
    Durch das Zellenfenster fiel etwas Licht aus einem der Scheinwerfer, die rings um das Gefängnis aufgestellt waren. Im Halbdunkel konnte ich erkennen, dass sie mir ein schüchternes Lächeln zuwarf. Ihr fehlte ein Schneidezahn. Ob das – er – gewesen war? Ihr Peiniger?
    „Willst du es mir erzählen?“, flüsterte ich. „Du musst nicht. Aber vielleicht geht es dir dann besser.“
    Sie schnäuzte sich und schüttelte den Kopf.
    „Morgen. Morgen erzähle ich“, erwiderte sie mit tonloser Stimme. „Danke. Ich glaube, ich kann jetzt schlafen.“
     
     
    Am Morgen konnte ich sehen, warum Olga sich gestern im Dunkeln ausgezogen hatte. Ihr Körper war übersät von blauen, lila und grünen Flecken. An ihren Armen hatte sie ähnliche Narben wie an ihrer Wange. Kein Wunder, dass sie schlecht geträumt hatte. Der Anblick schnürte mir das Herz zu. Ich versuchte, nicht hinzusehen und wagte nicht zu fragen, was geschehen war. Wenn wir nachher zurück in unserer Zelle wären, würde sie es mir vielleicht von sich aus erzählen, wie sie es in der Nacht angekündigt hatte.
    Olga kämmte meine Haare. Geschickt flocht sie sie zu einem Bauernzopf, wobei sie die kahle Stelle mit der Naht an meinem Hinterkopf kaschierte. Wir hatten uns gegenseitig beim Haarewaschen in diesem winzigen Waschbecken in unserer Zelle geholfen. Ich hatte ihr den Rest Haarkur spendiert, den ich in meiner Kosmetiktasche gefunden hatte. Als wir uns nach getanem Werk betrachteten, huschte ein flüchtiges Lächeln über ihr freudloses Gesicht. Immerhin waren wir jetzt wieder einigermaßen vorzeigbar.
    Olga wurde abgeholt von einer Bewacherin. Sie sollte zum Arzt.
    Bis zum Eintreffen meines Verteidigers versuchte ich mit den Mitteln, die man so in alten Büchern liest, meinem Aussehen etwas mehr Glanz zu verleihen. Ich hatte weder Lippenstift noch Wimperntusche. Kneifen in die Wangen, damit sie schön rosig aussehen. Ach ja, und auf die Lippen beißen, dass sie rot werden. Aua. Da war immer noch die Stelle, wo Leo mich gebissen hatte. Tränen liefen meine Wangen runter. So würden Omas Beauty-Geheimnisse nicht funktionieren. Ich trat gegen den Stuhl, der umfiel. Gab es denn hier nichts, was ich zertrümmern konnte? So wie meine Lieblingstasse. Wie lange war das her?
    „Verdammte Scheiße!“ Ich fluchte so laut ich konnte. Heute war ich es, die mit den Fäusten gegen die Tür ballerte und unverständliches Zeug brüllte. Bis die Tür aufging.
    „Ihr Anwalt ist da. Kommen Sie bitte.“
    Die Frau ließ sich durch mein Aussehen nicht aus der Fassung bringen. Wahrscheinlich konnte jeder sehen, dass ich geheult hatte. Meine Fingerknöchel waren rot, meine Handgelenke schmerzten. Ich wollte nicht, dass Dr. Krawczyk mich so sah.
    In dem Besprechungszimmer saß eine andere Bewacherin, die völlig unbewegt schien. Sie ließ mich Platz nehmen. „Dr. Krawczyk kommt gleich“, ließ sie mich wissen. Ein kurzer Moment, um mich zu sammeln. Achte auf deine Gedanken.
    „Frau Jung … Sabina … mein Gott.“ Dr. Krawczyks Augen weiteten sich, und er sah bestürzt aus. War mein Anblick so schrecklich? Fast hätte ich mich in seine Arme geworfen. Nur ein letzter Rest meines Stolzes, der lahm an meinem Ärmel zupfte, hielt mich davon ab.
    „Bitte lassen Sie uns allein“, beschied er die Bewacherin, die ohne Widerspruch das Zimmer verließ. Er nahm meine Hände und zog mich zu sich heran. Legte seine Arme um mich und strich vorsichtig über mein Haar, wobei er die Stelle vermied, an der meine Platzwunde war.
    Er roch gut. Genau so gut, wie es sich anfühlte, meine Wange an seine Schulter zu lehnen. Eine Schulter, die genau dazu wie geschaffen schien. Die Frau, die Leo für ihn verlassen hatte - sie hatte keinen schlechten Geschmack. Er schien meine Gedanken zu ahnen, denn er sagte leise:
    „Bitte. Frau Jung. Wir bringen uns in Schwierigkeiten.“
    Oh ja. Ganz offensichtlich. Aber das war ich doch sowieso schon. Was konnte das jetzt noch ausmachen?
    Sanft

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