Herzgespinst - Thriller
Nachricht, dass er in die Band einsteigen durfte, geradezu ignoriert hatte.
Stattdessen hatte sie schnippische Bemerkungen in seine Richtung geschossen und den Frauenhelden Tom mit ihrem nackten Bauch provoziert.
So sehr er sich darüber freute, dass er sich mit Julia wieder so verbunden fühlte wie früher, so wenig konnte er verstehen, warum sie ihn manchmal so provozierte. Vielleicht sollte er sie in einem stillen Moment einfach fragen, was los war. Aber dafür war momentan keine Zeit. Denn jetzt ging erst einmal die Sache mit der Band los. Konnte genauso gut sein, dass sich Julia wieder beruhigte. Selbst wenn Bio nicht seine Stärke war: Mädchen hatten manchmal auch einfach schlechte Laune, weil ihre Hormone verrückt spielten. So viel wusste er dann doch. Auch wenn darüber nachzudenken, ihm ein wenig peinlich war.
Als ob Bosse Olivers Gedanken lesen könnte, begann er plötzlich laut über das Geplänkel mit Julia nachzudenken.
»Ich will dich wirklich nicht schon wieder stressen, Kumpel«, sagte Bosse. »Aber mit dieser Schwesternnummer hast du gerade ganz schönes Chaos angerichtet. Und genau das meinte ich kürzlich. Das passt einfach nicht.«
Oliver sah ihn verständnislos an. »Was meinst du? Ich verstehe kein Wort.«
Bosse seufzte. »Na, Tom glaubt jetzt, ihr seid richtige Stiefgeschwister, die zusammen wohnen. Weil es das anders eben nicht gibt, eine Schwester, die in Wirklichkeit gar keine Schwester ist. Und Julia denkt das auch. Selbst wenn sie zu dir was anderes sagt. Deshalb hat sie auch so komisch gelacht. Und danach war sie zickig.«
Oliver antwortete nicht sofort. »Kann sein, dass ich Tom damit verwirrt habe«, sagte er schließlich. »Aber das ist vielleicht gar nicht so schlecht. Denn wenn er denkt, dass Julia meine Schwester ist, baggert er sie nicht so gnadenlos an wie die anderen Mädchen. Julia tut zwar manchmal so überlegen, dass es nervt, aber in Wirklichkeit ist sie total sensibel und verletzbar. Ich möchte auf keinen Fall, dass Tom ihr das Herz bricht.«
Bosse zog ein resigniertes Gesicht. »Alles klar. Ich höre auf. Du drehst die Sache mit Julia immer genau so, wie es dir gerade in den Kram passt. Aber ich sag dir eins, auch wenn du mir dafür wieder eine reinhauen willst. Irgendwann – und zwar möglichst bald – musst du dir überlegen, ob du was für Julia empfindest, also, ob du sie flachlegen willst – oder ob sie nur ein nettes Mädchen ist, dass du bereits aus dem Sandkasten kennst. Und wenn du dich für Nummer zwei entscheidest, dann musst du ihr das auch so schnell wie möglich verklickern. Sonst sehe ich schwarz. Aber echt. Ich meine es gut.« Er trat sicherheitshalber einen halben Schritt zur Seite, um genügend Abstand zu haben.
Das Thema Julia war immer für eine Tretmine gut, und er hatte keine Lust, sich die Nase verbeulen zu lassen, das sah man ihm deutlich an.
Aber zum Glück war Oliver gerade nicht auf Streit aus. Mit jeder Sekunde wurden die Glücksgefühle größer, die er empfand, wenn er an seine Zukunft mit der Band dachte.
»Du machst dir umsonst Sorgen«, sagte er stattdessen nur. »Ich hab alles im Griff. Aber trotzdem danke. Auch anderweitig, du weißt schon. Wenn du Tom meine Tapes nicht geschickt hättest, wäre das heute alles nicht passiert.«
Bosse machte ein erleichtertes Gesicht. »Ist doch klar, Mann. Du bist der Beste. Was geht ab, heute Abend? Zehn Uhr im Dom?«
Der Dom war die einzige Disco in der Stadt, in der keine Zwölfjährigen herumliefen. Und es wurde dort richtig guter Elektro-Pop gespielt.
Oliver schüttelte den Kopf. »Ich habe heute Nachtschicht in der Roten Sonne. Vor fünf Uhr komme ich da nicht raus.«
Bosse hob bedauernd die Hand. »Alles cool. See you.«
Oliver setzte sich auf seinen Sattel und schaute Bosse nach, bis er über den Marktplatz verschwunden war. Es war ein gutes Gefühl, einen echten Freund zu haben. Er fuhr los und hoffte, dass seine Mutter nicht zu Hause war.
5
J ulias Mutter war im Gemüsegarten und schnitt Bohnen. Sie hatte bereits mehrere Eimer damit gefüllt.
Als sie sich aufrichtete, um ihre Tochter zu begrüßen, sah Julia, wie müde und abgearbeitet sie wieder war. Dabei wartete noch jede Menge Erntearbeit auf sie.
Julia sprang vom Rad und warf es achtlos auf die Wiese. Über die Steinplatten hüpfend gelangte sie in den Garten zu ihrer Mutter.
»Hallo, mein Schatz. Wo warst du solange? Wie war die Schule?« Mit dem Ärmel wischte sie sich den Schweiß von der Stirn und warf Julia
Weitere Kostenlose Bücher