Herzgespinst - Thriller

»Neues Piercing? Schick. Ich dachte, als Nächstes wäre deine Brustwarze dran.«
    Im ersten Augenblick verschlug es Julia den Atem. Dieser Typ war ganz schön unverschämt. Gleichzeitig musste sie sich aber eingestehen, dass sie seine freche Art eigentlich ganz lustig fand.
    Es gab wirklich nichts, was er mit Oliver gemein hatte. Luis war ein echter Pausenclown, der einen Witz nach dem anderen abspulte. Außerdem kiffte er sich die Birne leer. Auf die Dauer war das bestimmt ganz schön nervig. Oliver war viel ernsthafter, Julia konnte sich auf ihn verlassen. Jedenfalls bis vor Kurzem.
    Ohne dass sie es wollte, stiegen Tränen in ihre Augen.
    »Willst du Spiegeleier«, fragte sie und drehte sich schnell von Luis weg zum Herd, damit er nicht merkte, was mit ihr los war.
    »Na klar«, sagte Luis und verschränkte erwartungsvoll die Arme. »Möglichst viele und den Speck schön kross. Nach dem Rauchen kriege ich immer höllisch Appetit. Hast du hier ’ne Anlage? Ein wenig Stimmung wäre cool. Kiffen darf man hier wohl nicht, oder?«
    Julia antwortete nicht, sondern schaltete stattdessen das Radio ein.
    »Creep« von Radiohead schallte ihr in voller Lautstärke entgegen. Es war Olivers Lieblingslied gewesen, bevor er Sunrise Avenue für sich entdeckte.
    I don’t care if it hurts
    I wanna have control
    I want a perfect body
    I want a perfect soul
    I want you to notice
    When I’m not around
    You’re so fuckin’ special
    I wish I was special
    But I’m a creep
    I’m a weirdo …
    Sie schlug drei Eier so heftig in die Pfanne, dass das Fett in alle Richtungen spritzte. Erschreckt schrie sie auf und sprang zur Seite.
    What the hell am I doin’ here?
    I don’t belong here …
    »Hei, aufpassen. Ich finde, du solltest einen Gang zurückschalten. Gerade bist du gar nicht das süße Schneewittchen, sondern eher der Typ Bondgirl. Alles im grünen Bereich, Süße.« Luis nahm Julia die Pfanne einfach aus der Hand und schob sie sanft auf einen Küchenstuhl. Geschickt briet er sich Eier und Speck selber fertig.
    Stumm sah ihm Julia dabei zu und betete, dass Luis nicht mehr weitersprach.
    Sie wusste, dass sie bei seinem nächsten Satz die Tränen auf keinen Fall mehr zurückhalten konnte.
    Als ob Luis ihre Gedanken lesen konnte, schwieg er. Er fand sogar Brot und Besteck selber. Erst als er fertig war und den Teller zur Seite stellte, sah er sie an.
    »Geht es wieder? Die Sache hat dir ganz schön zugesetzt, oder? Warum warst du nicht mehr auf der Party? Wir hätten auf jeden Fall cool abfeiern können. Zum Schluss hat Ronnie in der Roten Sonne noch Kleinholz aus ein paar Stühlen gemacht. Jetzt hat er Hausverbot. Er ist kiffen einfach nicht gewohnt.«
    Julia funkelte Luis böse an. »Keine Ahnung, was du meinst. Ich hatte einfach keinen Bock auf Party, weil ich mich schon total schlecht fühlte wegen der Grippe. Da ist feiern auch nicht gerade das Richtige. Und Ronnie hat es nicht anders verdient. Ich dachte allerdings, Möbel zerdeppern wäre eher dein Spezialgebiet. Ich finde so etwas echt peinlich. Genauso wie kiffen. Bist du eigentlich auch einmal nicht zugedröhnt?«
    Luis lächelte nachsichtig. »Du hörst dich so altklug an wie meine Tante Tilly. Mannomann. Da ist es mir tausendmal lieber, wenn du herumschreist oder mir eine verpasst. Warum gibst du es denn nicht einfach zu? Oliver ist mit Lotte zusammen«, er machte eine ziemlich unverblümte Handbewegung dazu, »und das kotzt dich natürlich an. Ist auch irgendwie klar, finde ich. Aber dieses aus Freundschaft wird Liebe Ding funktioniert nicht. Glaube es mir. Entweder es macht sofort peng oder nie.« Er haute zur Bekräftigung seiner Theorie mit der Faust auf den Tisch. »Ich habe da so meine Erfahrungen.«
    Julia war sprachlos. Was ging das diesen Typen überhaupt an?
    »Bist du total geisteskrank oder was!«, schrie sie hysterisch los. »Ich hatte die Grippe. S-o-m-m-e-r-g-r-i-p-p-e, kapiert? Die Sache mit Oliver und Lotte ist mir so was von egal. Außerdem liebt er sie gar nicht. Das ist alles nur Adrenalin und Stress. Lotte ist einfach nur eine charakterlose, kuhäugige Schlampe. Das wird Oliver früher merken, als er Luft holen kann. Klar?«
    Sie griff sich seinen Teller und pfefferte ihn gegen die gegenüberliegende Wand. Er zersplitterte in winzige Scherben, die sich überall in der Küche verteilten.
    Gleich darauf begann sie hemmungslos zu schluchzen.
    »Wow!«, sagte Luis beeindruckt. »Das war echt ein starker Auftritt. Ich hoffe, du willst nicht mal