Herzgespinst - Thriller
Tierpflegerin werden oder Intensivkrankenschwester. Ich würde es zuerst auf jeden Fall in Hollywood versuchen.«
Er stand auf und nahm sie in seine Arme. Sie zitterte am ganzen Körper. Entschlossen zog er sie an sich und hielt sie eine Weile einfach nur fest.
»Siehste«, sagte er schließlich. »Das meinte ich eben. Besser du haust mal auf den Putz oder rauchst was, bevor du in Selbstmitleid versinkst. Geht’s wieder?«
Julia hob den Kopf und nickte stumm.
Luis schaute sie bewundernd an. »Du machst mich echt fertig«, sagte er. »Ich glaube, du bist das einzige Mädchen, das nach so einer Heulorgie noch hübscher aussieht als vorher. Ich würde dich jetzt wirklich wahnsinnig gerne küssen, so wie diese Aufreißertypen in Kinofilmen das immer anschließend machen, aber vermutlich kriege ich von dir bloß eine geschallert oder?«
Julia musste gegen ihren Willen lachen.
»Allerdings«, sagte sie gespielt empört. »Was bildest du dir eigentlich ein? Du bist nur ein bescheuerter Kiffer, der ganz gut Gitarre spielen kann.«
Luis ließ sie seufzend los.
»Das war ja klar«, sagte er. »Verdammte Scheiße, warum bin ich nicht schwul? Weiber sind einfach zu kompliziert.«
Er begann die Scherben aufzusammeln. »Habt ihr einen Staubsauger?«
Nachdem sie gemeinsam die Küche aufgeräumt hatten und Julia sich das Gesicht gewaschen hatte, sagte Luis: »Ich mach dir einen Vorschlag. Wir haben um drei Uhr Probe für das nächste Konzert am Wochenende. Kommst du mit? Ich sage dir eines: Schocktherapie ist noch immer das beste Mittel, um sich von Liebeskummer zu kurieren. Und du bist hart im Nehmen, das habe ich schon kapiert. Wenn du willst, können wir vorher auch noch eine Runde am Fluss entlanglaufen und uns die Zirkuswagen anschauen. Da ist echt was los.«
Julia runzelte die Stirn. »Was soll das bringen mit den Proben?«, fragte sie mit vom Weinen immer noch heiserer Stimme. »Warum sollte ich so bescheuert sein?«
Luis nahm ihre Hand und sagte: »Das wirst du sehen, wenn du erst mal da bist. Vertraue mir. Und wenn dir alles zu viel wird, küsst du mich halt einfach doch. Ich sag dir eins, ein Kuss von mir ist einfach magic.«
Da war sie wieder, die Clownnummer.
So furchtbar sich Julia auch fühlte, sie musste zugeben, dass er es wirklich schaffte, sie zu trösten. Nur schade, dass er überhaupt nicht ihr Fall war. Das hatte gar nichts mit seinem Aussehen zu tun.
Abgesehen davon, dass sie seine Kifferei richtig bescheuert fand, hatte er alles, was Mädchen an Jungen toll fanden. Auch dieses Lässige kam sicher gut an. Mit seinen kinnlangen rotblonden Locken und den grünen Augen sah er eher aus wie ein Benetton-Model als ein Rocker.
Luis schaute Julia forschend an.
Einen winzigen Augenblick glomm so etwas wie Bedauern in Julia auf. Wenn Oliver und sie nicht füreinander bestimmt gewesen wären, hätte sie sich schon vorstellen können, sich vielleicht in Luis zu verlieben. Er war ziemlich witzig und hatte für alles eine Lösung parat.
Es beeindruckte sie, dass er nicht einfach abgehauen war, als sie ausflippte. Oliver hasste es, wenn sie hysterisch wurde. Er fand sie dann peinlich und unreif. Luis hatte sie sogar noch dazu ermutigt. Und tatsächlich fühlte sich Julia auf einmal viel besser.
»Also, was ist?«, fragte Luis. Er strich ihr sanft eine feuchte Haarsträhne aus der Stirn. »Süß die Locke. Ich würde mich wirklich freuen, wenn du mitkommst.«
Er war auf einmal ganz ernst geworden und ließ ihre Hand einfach nicht los.
»Na, okay«, sagte Julia und zog ihre Hand weg.
Sie fühlte sich plötzlich ungewohnt unsicher, fast noch wie eine Dreizehnjährige. Sicherheitshalber verschränkte sie die Arme hinter ihrem Rücken und machte einen Schritt zur Seite.
Luis lächelte. »Das ist schön«, antwortete er und sah sie nachdenklich an.
Im gleichen Augenblick bewegte er sich und für einen kurzen Moment dachte Julia, dass er sie doch küssen wollte, und dann würde sie ihn damit überraschen, dass sie ihm keine runterhaute.
Aber Sekunden später stand er bereits an der Wohnungstür, um sie zu öffnen und Julia war sich nicht mehr sicher, ob sie sich das alles nicht nur eingebildet hatte.
»Wo ist eigentlich Fredo?«, fragte Luis, als sie über den Hof liefen. Er hatte es ganz plötzlich ziemlich eilig, und Julia hatte Mühe, ihm zu folgen.
»Fredo?«, fragte Julia erstaunt. »Woher kennst du denn Fredo?«
Luis lachte. »Ich kenne Fredo noch gar nicht, deshalb würde ich ihn ja gerne
Weitere Kostenlose Bücher