Herzgespinst - Thriller
sich Julia schon eher vorstellen. Aufsätze zu schreiben, war ihr immer ziemlich leichtgefallen.
Sie überlegte, wie ihre Begegnung mit Oliver sein würde und sogleich wurde ihr ganz heiß vor Angst.
Auf einmal fand sie die Idee mitzukommen doch nicht mehr so prima. Luis hatte ja nicht die geringste Ahnung, was sie das für eine Überwindung kostete.
Sie war heute einfach noch nicht bereit.
Am allerbesten, sie verschwand, bevor Luis wieder zurückkam. Er war ohnehin noch völlig in das Gespräch mit dem langhaarigen Mädchen vertieft. Das war wirklich typisch. Luis baggerte einfach jedes Mädchen an, das ihm über den Weg lief.
Sie ärgerte sich, dass sie sich vorher so unnütze Gedanken über ihn gemacht und sich sogar gewünscht hatte, dass er sie küssen würde.
Die Sommergrippe hatte anscheinend ihren Verstand zugenebelt. Sie hatte doch gewusst, dass er dieser typische Aufreißer war. Oliver hatte sie nach ihrer ersten Begegnung mit Luis genau davor gewarnt.
Oliver! Sie schämte sich, dass sie seinen Rat in den Wind geschlagen hatte, und bekam gleichzeitig heftiges Herzklopfen.
Sie hatte ihn erst ein paar Tage nicht gesehen und vermisste ihn bereits so sehr, dass es wehtat. Vielleicht geschah das Wunder und es ging ihm ähnlich.
Konnte es sein, dass er sich wegen Lotte schämte und deshalb nicht anrief?
Luis hatte doch überhaupt keine Ahnung, wie Oliver tickte. Die beiden hatten sich gerade erst kennengelernt und Oliver sprach nie mit anderen über seine Gefühle.
Sie musste ihn alleine treffen, bei ihr zu Hause oder noch besser in der Scheune. Nur dort konnten sie in Ruhe über alles reden. Vielleicht würde Julia ihm dann einfach sagen, dass sie ihn liebte. Bestimmt wartete er nur auf ein Zeichen von ihr. Julia stand entschlossen auf und ging los. Ein Glück, dass sie alles so gut im Griff hatte.
Sie kletterte eilig hinauf zur Straße, damit Luis ihr nicht hinterherkam und lief los. Jetzt hatte sie tatsächlich schrecklichen Durst, aber bis sie zu Hause war, musste sie einfach noch aushalten.
Ein Auto hupte laut und fordernd hinter ihr.
»Spinner!«, rief sie erbost und drehte sich um. Im selben Augenblick blieb ihr Herz fast stehen.
Es war der rote Firebird von Tom. Er saß lässig hinter dem Steuer und grinste sie an. »Hallo, Schöne, kann ich dich irgendwohin mitnehmen? Die Täubchen hinten brauchen nicht viel Space.«
Tom hatte recht. So wie Lotte an Olivers Körper klebte, nahm sie höchstens einen halben Platz in Anspruch.
Julia hatte das Gefühl, dass sie sich augenblicklich übergeben musste. Wie durch eine Nebelwand hörte sie Olivers Stimme an ihr Ohr dringen.
»Hallo, Ju. Wie geht’s deiner Grippe? Sorry, ich hatte noch gar keine Zeit mich zu melden. Irgendwie war ständig was los.«
Lotte begann bei seinem letzten Satz zu kichern und hörte nicht mehr auf, bis Oliver ihren Mund mit einem Kuss verschloss.
Julia merkte, wie sie wieder zu zittern begann. Schlimmer noch, auch ihre Knie wurden weich wie Pudding. Ein grauenhafter Schwindel erfasste sie, und sie wusste, dass sie gleich umkippen würde.
Sie strauchelte, aber bevor sie fiel, umfasste sie Luis und hielt sie fest.
»Julia, wie kann man nur so unvernünftig sein«, sagte er gespielt streng. »Ich habe doch gesagt, du sollst auf mich warten.«
Er öffnete die Autotür mit der Wasserflasche in der Hand, während er sie mit der anderen liebevoll stützte.
»Bewegt mal eure Hintern zur Seite, Leute, damit Julia sich ins Auto setzen und was trinken kann. Ihr geht es immer noch ziemlich mies«, befahl er.
»Aber nicht, dass sie mir in den Wagen kotzt«, warf Tom besorgt ein.
»Du bist echt ein Loser, Alter«, konterte Luis. »Die Süße hat eine stinknormale Grippe und heute noch nicht genug getrunken. Soll ich lieber ein Taxi rufen oder was?«
Tom guckte ertappt. »Cool, Mann. Ich hab kapiert.« Er drehte sich zu Oliver und Lotte um. »Steigt ihr mal aus? Dann kann sich Julia auf die Rückbank legen, bis es ihr wieder besser geht. Ich hole euch gleich wieder hier ab.«
Oliver und Lotte kletterten bereitwillig aus dem Auto. »Gute Besserung, Ju, falls wir uns nicht mehr sehen«, sagte Oliver befangen und tätschelte ihren Arm. »Hoffentlich bist du zum nächsten Konzert wieder fit. Das wird echt der Burner.«
Erst als Tom mit Luis als Beifahrer losfuhr, und Julia auf der Rückbank die Wasserflasche fast leer getrunken hatte, sagte sie: »Vielen Dank, Tom. Mir wurde plötzlich so schummrig. Kommt bestimmt von der
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