Herzgespinst - Thriller
Gegenwart, auch wenn er diese Woche kein einziges Mal an sie gedacht hatte. Nicht einmal, nachdem er gehört hatte, dass sie direkt nach seinem Konzert krank geworden war. Erst als er sie vorhin auf der Straße traf, war ihm klar geworden, dass sie ihm die ganze Zeit gefehlt hatte. Und er schämte sich, dass er sie die Tage vor dem Konzert links liegen gelassen hatte.
Nüchtern betrachtet, war das natürlich verrückt.
Schließlich war er gerade rund um die Uhr mit Lotte zusammen. Sie war wirklich total süß und verbreitete überall gute Laune. Mit ihr war einfach alles easy und er war richtig in sie verknallt.
Mit Julia war es anders. Er konnte sich unmöglich vorstellen, mit ihr auf einen Baum zu klettern und sie dort zu lieben, wie er das mit Lotte getan hatte, aber er sprach mit niemandem sonst so offen über seine heimlichen Wünsche und was er sich vom Leben erträumte.
Auch wenn sich ihre Wege in naher Zukunft trennten, würde sie immer einen besonderen Platz in seinem Herzen haben.
Seit er sie vorhin wiedergesehen hatte, machte er sich Sorgen. Dass sie so blass war, gefiel ihm nicht. Oliver mochte nicht glauben, dass ihre Sommergrippe daran schuld war. So ähnlich hatte sie damals auch ausgesehen, als ihr Vater verunglückt war.
Hatte sie heimliche Sorgen oder machte ihre Mutter Stress? Es konnte natürlich genauso gut sein, dass Julia unglücklich in Luis verliebt war. Oliver beschloss, das so schnell wie möglich herauszufinden. Wenn er recht hatte, würde er Luis die Hölle heißmachen, egal ob er in der Band spielte oder nicht.
»Oliver??? Hörst du mich nicht? Erde an Oliver, bitte melden. Wir haben ein Problem!«
Oliver sah verwirrt hoch. Er saß schon eine ganze Weile Händchen haltend mit Lotte am Fluss und wartete darauf, dass Tom endlich wieder mit seinem Firebird zurückkam und sie abholte.
»Ich muss dringend pinkeln«, jammerte Lotte.
Oliver überlegte. »Wir können einfach unten bei den Puppenspielern fragen.« Er zog Lotte hoch und küsste sie. »Ich glaube, ich kriege einen Sonnenstich«, klagte er. »Mir ist schon ganz komisch. Vielleicht gibt es da auch ein paar Eiswürfel für meine heiße Birne.«
Die Puppenspielerin hieß Shiva und sie war die jüngste Tochter der Morgenroths.
»Das ist wirklich ungeheuer nett von dir«, sagte Oliver bereits zum dritten Mal. Er saß auf einem Campingstuhl inmitten riesiger Holzpuppen, die zum Teil noch halb nackt waren. Irgendwie machten ihn diese nackten Figuren ziemlich verlegen, und so versuchte er sie nicht anzustarren, sondern schaute stattdessen Shiva an, die ihm auf einem Hüpfball gegenübersaß. Mit ihren rabenschwarzen Haaren sah sie aus wie eine echte Indianerprinzessin. Selbst das goldfarbene Tattoo auf ihrer Stirn, dass die Form einer Sonne hatte, passte dazu.
Die Indianerprinzessin besaß glücklicherweise einen modernen Eisschrank und sie hatte Oliver ein Coldpack geholt und es ihm mit einem Tuch um den Nacken gewickelt, während Lotte ihre Toilette im Wohnwagen benutzte.
»Gehörst du auch zu dieser Band?«, fragte sie und flocht ihre hüftlangen Haare zu zwei Zöpfen, während sie sich unterhielten.
Oliver nickte überrascht. »Ja genau. Woher weißt du das? Warst du bei unserem Konzert?«
Shiva schüttelte den Kopf. »Nein, aber heute war schon ein anderer Junge hier, der was von einer Band erzählt hat, die gerade hier auftritt. Hat sich Wasser für seine Freundin geholt. Ich glaube, er hieß Luis oder so.«
Oliver stieß einen Pfiff aus. »Na, das ist ja ein ziemlicher Zufall. Luis ist unser Gitarrist, und die Band heißt UNDERGROUND . Julia ist nicht seine Freundin. Sie haben sich erst über mich kennengelernt.«
Shiva grinste. »Ach so. Deine Freundin also.«
»Nein, ich bin seine Freundin«, korrigierte Lotte, die den letzten Satz mitgehört hatte, als sie aus dem Wohnwagen z urückkehrte. Sie setzte sich auf Olivers Knie und quetsch te seine Hand.
»So kompliziert ist es bei mir nicht. Ich habe nämlich gar keinen Freund.« Shiva zwinkerte Oliver belustigt zu.
Verlegen sah er weg. »Wird das nach einer Weile nicht eng, wenn ihr da alle so zusammengepfercht in den Wohnwagen lebt?«, fragte er eilig, um das Thema zu wechseln.
Shiva schüttelte den Kopf. »Tun wir ja nicht. Ich habe den Wagen für mich ganz alleine.«
Oliver guckte sie erstaunt an. »Ach so. Cool. Und wer fährt, wenn ihr unterwegs seid?« Er schaute sich um und zählte die Wohnwagen, um herauszufinden, wie viele Leute dann mindestens zur
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