Herzgespinst - Thriller

Hamburg ging, konnte er sich immer noch für oder gegen sie entscheiden. Er brauchte seinen Entschluss wirklich nicht überstürzen.
    Plötzlich war er gespannt, ob Shiva nach ihrer Vorstellung tatsächlich noch an der Bar vorbeischauen würde.
    Er wurde immer gleich unsicher, wenn er mit ihr sprach. Sie hatte wunderschöne Mandelaugen und bestimmt hatte sie auf ihren Reisen schon einiges mehr erlebt als er. Gegen Shiva kam er sich wahrhaftig wie ein Landei vor.
    Das Besondere an ihr war, dass sie genau das nicht heraushängen ließ. Wenn sie ihn anschaute und mit ihm sprach, gab sie ihm irgendwie das Gefühl, dass sie nur ihn toll fand. Und das fand er ziemlich scharf.
    Sein Boss hatte übrigens Recht behalten mit seiner Prognose.
    Das Strandbad am Fluss war bereits völlig überfüllt, als er die Bar eröffnete. Oliver schuftete wie ein Wahnsinniger, um mit den Bestellungen hinterherzukommen. Nach einer Stunde waren dreiviertel aller Flaschen leer und es gab kaum noch frisches Obst für die Cocktails.
    Er rief in der Roten Sonne an und hängte ein Pause-Schild an die Theke.
    Verschwitzt schnappte er sich den letzten freien Sonnenstuhl und machte es sich darin bequem.
    »Hey, Olli, was geht ab? Bist du untergetaucht oder was? Schule ist wohl nicht dein Ding gerade. Du hast es geschafft, auf den letzten Drücker noch fünfzig Fehlstunden anzusammeln. Und hier hängst du auch nur faul ab. Ich fass es nicht.«
    Diese tiefe Stimme kannte Oliver nur zu gut.
    Er nahm die Sonnenbrille ab und blinzelte erfreut nach oben. »Bosse, du alter Schwede.« Er streckte die Hand aus und klatschte sie zum Gruß mit seinem Freund ab.
    »Ganz ehrlich. Die Schule ist mir so was von egal. In drei Wochen bin ich achtzehn und dann mache ich hier den Abflug.«
    Bosse hockte sich neben ihn und sah ihn bewundernd an. »Super, Mann. Ich habe es immer gewusst. Du versauerst nicht in unserem Kaff. Nimmt dich Tom mit nach Hamburg?«
    Oliver nickte. »So sieht es aus. Wir haben für den ganzen Sommer Buchungen. Sind zwar nur Käffer, aber so what. Sunrise Avenue haben auch so angefangen.«
    Bosse nickte anerkennend. »Das ist genau die richtige Einstellung. Ich überlege auch, ob ich abgehe. Ich könnte in die Firma von meinem Alten einsteigen. Seine LKW s fahren jetzt bis nach Afrika. Cool, oder? Ich will jetzt im Sommer den Führerschein für die Schwertransporter machen. Wenn ich so weit bin, kannst du mal mitkommen. Sansibar und so.«
    Oliver stand auf und holte zwei Flaschen Bier aus dem Eisschrank. Er köpfte sie geschickt und hielt eines davon Bosse hin. »Du wirst lachen. So etwas Ähnliches habe ich bereits vor.« Er zeigte hinüber zum Zirkuszelt. »Die suchen momentan Leute, die mit ihnen mitreisen für ein paar Monate. Ich habe da bereits mit einem Mädchen gesprochen, das hört sich richtig gut an.«
    Bosse nahm einen tiefen Schluck. »Erst hast du jahrelang gar keine Weiber und jetzt kannst du dich vor ihnen gar nicht mehr retten. Wie läuft es mit Lotte?«
    Oliver grinste und hielt den Daumen hoch. »Alles prima. Sie ist heiß.«
    Bosse schüttelte den Kopf. »Ich krieg mich gerade echt nicht mehr ein über dich. Wenn du abhaust, kannst du sie mir überlassen? Ich finde sie nämlich auch gut, seit sie nicht mehr ständig nach Pferdemist riecht.«
    Oliver nickte zustimmend. »Kann ich bestätigen. Jetzt duftet sie nach so einem abgefahrenen Rosenzeug. Und ihr Pferd macht dir keine Konkurrenz mehr. Es ist tot.«
    Bosse verzog das Gesicht. »Was geht da ab? Großes Haustiersterben oder was?«
    Oliver runzelte die Stirn. »Nee, bei Julia ist das schon was anderes. Jemand hat ihren Kater eiskalt ermordet. Sogar die Polizei ermittelt. Und Julia hatte deshalb einen Nervenzusammenbruch und lag im Krankenhaus. Nicht so toll das alles.«
    Bosse stellte erschreckt seine leere Bierflasche zur Seite. »Das hab ich gar nicht gewusst. Tut mir echt leid. Wieso haben sie in der Schule nichts darüber gesagt?«
    Oliver zuckte mit den Achseln. »Keine Ahnung. Vielleicht wegen der laufenden Ermittlungen. Sie haben noch keine heiße Spur, glaube ich. Hoffentlich lässt der Typ Julia jetzt in Ruhe.«
    Bosse griff über die Theke und nahm sich selber noch ein Bier. »Es gibt so viele Hater, sage ich dir. Glaubst du, die finden den Typen?«
    Oliver antwortete nicht.
    Er sah gerade Lotte auf die Strandbar zusteuern. So etwas nannte man Pech.
    Es würde nicht mehr ewig dauern, bis Shivas Zirkusvorstellung zu Ende war. Wenn Lotte sich erst wie eine Klette an