Herzgespinst - Thriller
Schreiben den Stempel seiner Schule trug. Seine Mutter hatte vor Aufregung rote Flecken am Hals, als sie loslegte.
»Du hast nicht einmal dein Zeugnis abgeholt, Oliver, aber dafür jede Menge Fehlstunden. Was soll der Unsinn? Willst du dir deine Zukunft endgültig verbauen? Das bricht mir wirklich das Herz«, jammerte sie.
»Du machst dir 18 Jahre zu spät Gedanken um mich, und außerdem glaube ich dir kein Wort«, konterte er hart. »Aber selbst wenn, wäre es mir scheißegal.«
Er drehte sich um und verließ die Küche. »Oliver!«, rief ihm seine Mutter hinterher. »Sofort kommst du zurück.«
Oliver kümmerte sich nicht um sie. Er ging in sein Zimmer und klemmte sicherheitshalber einen Stuhl unter die Türklinke. Dann schnappte er sich seine Sporttasche und packte die nötigsten Sachen für die nächsten Tage darin ein.
Er stieg auf seinen Schreibtisch und streckte sich hinauf zur Deckenleuchte. Auf dem Lampenschirm hatte er mit Paketband seine eiserne Geldreserve festgeklebt.
Er zählte nach. Es waren genau fünfhundert Euro.
Er steckte sie zusammengerollt in seine Hosentasche. Damit kam er erst einmal eine Weile hin, wenn er die Nachtschichten in der Roten Sonne dazurechnete.
Im Flur stellte sich ihm Walter breitbeinig in den Weg. »So einfach verdrückst du dich hier nicht, mein Freundchen«, sagte er drohend und streckte seine tätowierte Hand nach ihm aus.
Mit einem Griff, den Oliver aus dem Kickboxen kannte, fegte er Walter zur Seite. Walter krachte gegen die Garderobe und riss diese im Sturz mit sich.
Oliver hörte seine Mutter hysterisch losschreien und flüchtete sich mit einem Satz aus der Haustür, bevor sich der wütende Walter wieder aufrappeln konnte. Der Typ hatte Oberarme so dick wie Baumstämme. In der nächsten Runde würde er keinen Punkt gegen ihn holen können, sondern mit Sicherheit direkt k. o. gehen.
Sein sogenanntes Elternhaus war ein echter Affenstall. Er brauchte nicht eine Sekunde überlegen, wohin er jetzt gehen sollte. Der einzige Ort, der ihm als Rückzug blieb, war die Scheune. Und danach musste er neu überlegen.
33
J ulia stand nackt im Badezimmer und starrte in den Spiegel. Sie fühlte sich einfach schrecklich. Vorsichtig betupfte sie die Kratzer auf ihren Brüsten mit einer Heilsalbe. Ihre Arme sahen aus, als hätte ein Monster darauf Klavier gespielt. Am besten sie zog ein langarmiges T-Shirt an, damit sie nicht alle anstarrten. Am meisten schmerzten die Druckstellen auf ihren Oberschenkeln.
Onkel Kurt hatte ihr so viele verwirrende Fragen gestellt, dass sie vor Müdigkeit und Überdruss zu weinen angefangen hatte. Gerade in diesem Moment war ihre Mutter aufgetaucht.
Der Kommissar und ihre Mutter hatten sofort furchtbar zu streiten angefangen, danach hatte ihre Mutter Julia einfach geschnappt und war mit ihr nach Hause gefahren. Nicht einmal ihre Aussage hatte sie noch unterschreiben können.
Sie versuchte sich ins Gedächtnis rufen, um was es in dem Streit gegangen war. Es hatte etwas mit der Zeit zu tun, als ihr Vater verunglückt war. Aber irgendwie war sie so durcheinander, dass sie gar nichts mehr wusste.
Julia hatte keine Vorstellung gehabt, wie so ein Verhör ablief, aber sie war dankbar, dass sie nicht dabei sein musste, als Luis befragt wurde. Sie hätte es sicher nicht ausgehalten, ihm in die Augen zu sehen. Das Letzte, woran sie sich erinnern konnte, waren furchtbare Kopfschmerzen. Danach war nur noch ein schwarzes Loch.
Sie musste in einem der Liegestühle am Flussufer eingeschlafen sein.
Als sie aufwachte, war es schon taghell. Ihr Körper fühlte sich an, als wäre er geschlagen worden, gleich darauf entdeckte sie die Blutflecken auf ihrem Shirt. Sie rief sofort Oliver an und nur wenige Minuten später tauchte er auf.
Julia blickte erneut prüfend in den Spiegel.
Erst jetzt wunderte sie sich darüber, wie schnell er bei ihr gewesen war.
Ihr fiel wieder ein, dass diese Puppenspielerin wie eine Klette an Oliver geklebt hatte.
Lottes wissender Blick war ihr dazu in den Sinn gekommen und sie hatte gleich wieder die Wut auf sie gekriegt.
Jedenfalls hatte Oliver sich total süß um sie gekümmert und auf der Stelle die Polizei angerufen, obwohl Julia das eigentlich gar nicht wollte.
Er besaß aus irgendeinem Grund die Handynummer vo n ihrem Onkel, und der schlug gleich Alarm und schickte den diensthabenden Beamten vorbei.
Nachdem dieser ihr in Olivers Beisein jede Menge Fragen gestellt hatte, fuhr er sie ins Krankenhaus und dann auf die Wache.
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