Herzgespinst - Thriller
angestoßen.
»Shit!«, sagte Oliver. »Darauf habe ich jetzt keinen Bock.« Er überlegte, was er jetzt tun sollte. Die Rote Sonne war sein Laden. Hier hatte er beinahe jeden Abend in den letzten zwei Jahren verbracht. Warum sollte also ausgerechnet er das Feld räumen?
Vielleicht war Angriff die beste Methode. Schließlich würde es sich in den nächsten Tagen ohnehin herumsprechen, dass er nicht mehr bei der Band mitmischte.
So lässig wie möglich schlenderte er an die Bar und blieb bei den Jungs von UNDERGROUND stehen.
»Hey«, sagte er. »Dass ihr euch nach der ganzen Scheiße ausgerechnet hierher traut, finde ich schon stark.« Er blickte herausfordernd von einem zum anderen. Niemand antwortete, nur Ronnie seufzte tief und legte die Stirn in Falten wie ein Dackel.
»Taub, stumm, blind«, sagte Oliver provozierend. »Nicht unbedingt die coolsten Eigenschaften für eine Band.«
Tom sah ihn scharf an. »Überlege gut, was du sagst, Oliver. Du bist auf einem völlig falschen Trip. Und so sehr mich das ankotzt. Es tut mir trotzdem leid um dich. Du bist nämlich wirklich ein geiler Sänger.«
Oliver schwieg einen Moment verunsichert. Er hatte eher mit Krawall gerechnet, als mit sentimentalem Geschwätz.
Er versuchte in Toms Gesicht zu lesen, was er davon halten sollte, aber er kam zu keinem Ergebnis. Die einzige vernünftige Erklärung war, dass er ihn mit seinen weichgespülten Sätzen beschwichtigen wollte, um die Sache mit Julia herunterzuspielen.
»Du wickelst mich damit nicht ein, Tom«, sagte er und versuchte seiner Stimme einen selbstbewussten Klang zu geben. »Du setzt auf das falsche Pferd, wenn du deinen sogenannten Freund auf Biegen und Brechen schützt. Wenn du einmal mit Julia geredet hättest, dann wüsstest du, was wirklich passiert ist.«
Luis stellte sein Bier auf der Theke ab und rutschte von seinem Barhocker.
»Sag mal, haben sie dir ins Hirn geschissen, Mann?«, machte er Oliver an. »Kapierst du nicht, dass deine sogenannte beste Freundin die totale Psychopathin ist? Die hat mich eiskalt reingelegt.«
Im nächsten Augenblick schlug Oliver zu und traf Luis mitten auf die Nase. Es gab ein knackendes Geräusch.
Innerhalb von Sekunden kugelten die beiden ineinander verkeilt über das Parkett. Der Barmann drehte die Musik herunter und die Gäste scharten sich um die beiden prügelnden Kampfhähne wie an einem Boxring. Es bildeten sich sogleich zwei Parteien, die ihre Favoriten lautstark anfeuerten.
»Hey, hey, hey, das gibt’s hier nicht!« Der Chef der Roten Sonne stürmte aus seinem Büro herbei und warf sich beherzt dazwischen. Geübt trennte er die beiden voneinander und hielt sie mit eisernem Griff fest.
Luis’ Gesicht war blutverschmiert und seine Nase war bereits jetzt zu doppelter Größe angeschwollen. Oliver hatte mindestens ein Veilchen abgekriegt und eine geplatzte Oberlippe.
»Leute, nicht mal Mick Jagger dürfte aus meiner Bude Kleinholz machen. Wer sich nicht benehmen kann, fliegt raus. Ihr habt bis auf weiteres Hausverbot.«
Er warf die beiden kurz entschlossen aus dem Lokal.
Shiva stürzte auf die Straße und versuchte Oliver wieder auf die Beine helfen.
»Hast du dir sehr wehgetan?« rief sie entsetzt. »Ich verstehe gerade gar nicht, was hier los ist.«
Luis hatte Oliver voll an der Schläfe getroffen. Sein Schädel brummte, als ob er in einem Bienenstock feststecken würde.
Als er sich mit Shivas Hilfe aufrichtete wurde ihm schwindlig und seine Knie knickten weg. Stöhnend sackte er zurück auf den Bürgersteig.
Tom und Ronnie kümmerten sich inzwischen um Luis. Ronnie besorgte vom Barmann ein Geschirrtuch, in das eine Handvoll Eiswürfel eingewickelt war. Das legte er Luis auf das geschwollene Gesicht.
Ein paar Schaulustige waren ihnen aus der Roten Sonne auf die Straße gefolgt.
»Euer Typ hat Luis die Nase zerschmettert!«, rief Tom ihnen wütend zu. »Man sollte ihm jede Rippe einzeln brechen.«
Ein paar von ihnen klatschten, aber es ertönten auch einzelne Pfiffe.
Einig war man sich im Publikum allerdings darüber, dass der Kampf viel zu schnell vorbei gewesen war. Nachdem klar war, dass nicht mehr zu erwarten war, verschwanden auch die letzten wieder nach drinnen an die Theke.
Tom machte ein paar Schritte auf Oliver zu, der immer noch benommen auf den Pflastersteinen saß. »Das gibt eine fette Anzeige, mein Freund. Davon kannst du ausgehen.« Er gab Ronnie einen Wink und sie schleppten Luis gemeinsam zu seinem Pontiac. »Pass auf, dass du dir
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