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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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dieser zynische Gedanke wird mir ein paar Jahrtausende Fegefeuer einbringen. Aber ich denke ihn weiter.
    Dann könnten Fanny und ich zu unserem normalen Leben zurückkehren.
    Und die Bank unter der Trauerweide bliebe leer. Ich könnte meine Fanny wieder sorglos in die Schule schicken, es gäbe keine plötzlich einberufenen Elternabende mehr, und sogar meine Joggingrunde könnte wieder an der Bank vorbeiführen. Ohne dass ich dabei immer an ihn denken müsste. Ohne mir überlegen zu müssen, was ich sage, wenn er da ist. Ohne mich zu fragen, wo er ist, wenn er nicht da ist. Denn dann wüsste ich ja, wo er ist. In Sicherheit …
    Plötzlich durchzuckt mich ein schrecklicher Gedanke.
    Er ist wegen Vergewaltigung einer Dreizehnjährigen da drin!
    Ich habe mal gehört, dass Häftlinge, die sich an Kindern vergangen haben, für die anderen das Allerletzte sind!
    Sie werden ihn doch nicht …
    Ich meine, sie tun ihm doch nichts an?
    Wann ist da eigentlich Besuchszeit?
    Sonntags bestimmt.
    Abrupt schlage ich die Decke zurück.
    An einem Sonntagmorgen um acht ist es da vielleicht noch nicht so voll.
    Die Justizvollzugsanstalt liegt mitten in der Altstadt, ein bisschen versteckt zwischen den Barmherzigen Brüdern und dem Gericht.
    In der Morgensonne sieht man die vergitterten Fenster blinken. Kein einziger Häftling rüttelt an den Gitterstäben und brüllt: Ich will hier raus!
    Es gibt zwei mögliche Eingänge, die aber beide verschlossen sind.
    Zwei große Eisentore, an denen jeweils eine Kamera angebracht ist, laden auch nicht gerade zum Verweilen ein. Es gibt weder eine Klingel noch sonst eine Vorrichtung, mit der man sich bemerkbar machen könnte.
    »Ein- und Ausfahrt immer frei halten!«, steht auf einem Schild.
    Na prima. Das macht Mut. Ich gehe einmal um das Gebäude herum, und siehe da: An einem unscheinbaren Seiteneingang hängen die Besuchszeiten aus.
    »Sonntags von 8-12 Uhr!«
    Das nenne ich Glück im Unglück!
    Vorsichtig schiebe ich die schwere Tür auf und finde mich in einem dunklen, muffigen Treppenhaus wieder. An der Wand links hängt ein ganz normaler Briefkasten: »Trempinsky«.
    Nee. Hier bin ich falsch. Das ist ein Privathaus.
    Schon will ich wieder umkehren, als mir eine Frau mittleren Alters mit einem Veilchen auf dem Auge entgegenkommt. Sie senkt den Blick, als sie mich sieht, und stapft grußlos die Treppe hinauf.
    Oh! Hier könnte ich vielleicht doch richtig sein.
    Es sei denn, es handelt sich bei der Dame um Frau Trempinsky. Doch im zweiten Stock bemerke ich ein Schild: »Privataufgang. Trempinksy. Kein Durchgang«.
    Die Frau biegt zielstrebig links ab. Vorsichtig schleiche ich hinter ihr her. Die scheint öfter herzukommen. Die kennt sich hier aus.
    Sie geht durch einen dunklen, muffigen Gang und klingelt schließlich an einer dicken Eisentür. Sofort geht ein Summer, und die Tür öffnet sich.
    Jetzt oder nie!
    Im Eilschritt laufe ich hinter ihr her und schlüpfe gerade noch so durch.
    Während die Frau zielbewusst zu einer Glaswand geht, um ihren Ausweis vorzuzeigen und ihre Handtasche abzugeben, bleibe ich unschlüssig stehen.
    Ich befinde mich in einem grünlich gehaltenen Flur, in dem hölzerne Wartebänke stehen.
    An den Wänden hängen schmucklose DIN-A4-Blätter mit Aufschriften wie: »Hilfe für Strafentlassene. Wiedereingliederung in die Gesellschaft. Hilfe bei der Wohnungssuche, Jobsuche und bei Alkoholproblemen. Sozialhelfer informieren.« Das Ganze steht da noch auf Türkisch und in zwei anderen, mir ebenso unverständlichen Sprachen.
    Mit Grausen wende ich mich ab. Kann mir mal jemand sagen, was ich hier eigentlich zu suchen habe?
    Nun müsste ich weitergehen.
    Doch mich verlässt der Mut.
    Was soll ich tun?
    Was soll ich sagen?
    Will mich Georg überhaupt sehen?
    Was mache ich hier?
    Hier gehöre ich doch gar nicht hin!
    Ich mache das alles sowieso nur wegen Fanny, versuche ich mir einzureden. Damit ich ihr sagen kann, ich hätte es wenigstens versucht! Damit sie Ruhe gibt und mir nicht den ganzen Sonntag die Ohren vollquengelt. Ich selbst bin ja zum Glück schon … also, ich denke nicht mehr dauernd an Georg. Jedenfalls nicht mehr so oft. Außer seit gestern natürlich. Da denke ich ununterbrochen an ihn. Und mir geht es alles andere als gut dabei.
    Drei Schritte vor mir ist eine Sicherheitsschleuse wie am Flughafen. Dahinter stehen zwei Beamte mit ihren Absuchgeräten, mit denen sie sich gelangweilt auf die flache Hand schlagen. Nix los am frühen Morgen. Ich gehe noch zwei

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