Herzgesteuert: Roman (German Edition)
wir mal an, es wäre die Vicki. Was würdest du dann dazu sagen?«
»Die Vicki hat schon längst Sex mit ihrem Freund. Ihre Mutter ist aber total streng und hat dafür überhaupt kein Verständnis. Und der Typ, mit dem sie … na ja … also … ähm …, der bekommt auch voll den Ärger, wenn das rauskommt, weil der irgendwie’ne Lehre abgebrochen hat oder so …«
Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll.
»Das klingt plausibel«, sagt Frau Sandmann anerkennend. »Wir haben nämlich keine passenden DNA-Spuren identifizieren können.«
»Aber dann darf Georg doch gar nicht in U-Haft sitzen!«, höre ich mich rufen.
»Sie sperren einen Unschuldigen ein!«
»Auf freien Fuß können wir ihn bei der Beweislage aber auch nicht setzen!«, entgegnet Frau Sandmann, während sie auf den Geldkoffer tippt. »Wissen Sie was? Ich würde Ihnen raten, sich sofort einen Anwalt zu nehmen. Und zwar einen guten.«
27
A ls wir völlig übermüdet und fix und fertig zu Hause ankommen, sehe ich als Erstes, wie sich die Gardine im Hause gegenüber bewegt.
Na super. Auch das noch. Es ist Christiane, das Schwester huhn, das seit Stunden unserer harrt. Sie kommt herübergeflattert mit einer Riesenschachtel voller Post.
Ratlos sehe ich in den rot geöffneten Schnabel, während ihre spitzen Schreie in mein Ohr dringen … eine Einladung zu einem dringenden Elternabend, ob ich denn überhaupt schon wüsste, was passiert sei, die Kriminalpolizei sei hier gewesen und hätte mich und Fanny sprechen wollen, aber ich wäre ja nicht ans Handy gegangen. Und was es denn auf sich hätte mit dieser Vergewaltigung, das hätte ja in allen Zeitungen gestanden. Sie hätte da ja einen ganz bestimmten Verdacht, dass wir mit diesem Kriminellen unter einer Decke steckten … Hier holt sie empört Luft, pumpt ihr Gefieder neu auf und schnattert weiter: Die Amerikaner vom Schiff hätten auch schon angerufen, was für Versprechungen ich denen denn gemacht hätte? Sie hätte ja kein Wort verstanden, aber das Gefühl, dass die schon morgen bei uns im Vorgarten stehen würden. Diese Kirsten wäre ein paarmal mit ihrem Porsche vorgefahren, es gäbe da eine Angelegenheit zu besprechen wegen eines Raubüberfalls in einer Villa in Kitzbühel. Ich wäre nämlich beobachtet worden und wüsste schon, wovon sie spräche, und das würde alles noch Konsequenzen haben. Mit fast roher Gewalt muss ich mein Schwesterhuhn aus der Haustür schieben. Kraftlos riegele ich die Haustür von innen ab.
Fanny hängt mir heulend am Rockzipfel und verlangt von mir, Georg jetzt sofort zu befreien. Sie möchte am liebsten eine Leiter holen, sie an die Gefängnismauer stellen und hinaufklettern.
Oder wenigstens eine Feile in einen Kuchen einbacken. Und dann mit dem Rotkäppchen-Korb ins Gefängnis gehen.
Oder Steinchen an das Gefängnisfenster werfen. Damit er merkt, dass wir wieder da sind.
»Tolle Idee! Was glaubst du eigentlich, was ich hier an Arbeit habe! Der ganze Schreibtisch ist voll! Die Mailbox quillt über! Und die Amerikaner stehen vor der Tür! Jetzt muss ich erst mal ein Dutzend Luxusresidenzen aus dem Hut zaubern!«
Fanny macht ein flehendes Gesicht: »Mami! Stell dir mal vor, du säßest im Knast! Und kein Schwein würde sich um dich kümmern!«
»Was soll ich denn tun?«, herrsche ich sie an. »Ich bin mit einem Bein selbst schon drin!« Widerwillig nehme ich das Telefon.
Natürlich ist an diesem späten Samstagabend kein Anwalt mehr zu erreichen.
Wir schlafen beide schlecht. Fanny liegt neben mir, sie mag nicht allein in ihrem Zimmer übernachten.
Schon um sechs wache ich auf und denke an Georg. Wie es dem jetzt wohl geht? Ob er gut geschlafen hat?
Das darf doch nicht wahr sein. Ich hatte ihn doch schon fast vergessen!
Jedenfalls war es mir auf der Reise gelungen, mehrmals täglich einige Minuten nicht an ihn zu denken!
Wütend ziehe ich mir die Decke über die Ohren.
Ob er auch an mich denkt? Mit welchen Gefühlen?
Vielleicht hasst er mich jetzt. Verübeln könnte ich ihm das nicht.
Ob er einen Anwalt hat?
Wahrscheinlich so eine Art Pflichtverteidiger. Sicher so ein lustloser Bursche, der bei der Anhörung seines Mandanten in ein Wurstbrot beißt. Jedenfalls keiner, der sich glühend für Georgs Freilassung interessiert.
Interessiere ich mich denn glühend dafür?
Wäre es nicht die ideale Lösung, wenn er hinter schwedischen Gardinen bliebe?
Ich meine, dann hätte er zumindest ein Dach über dem Kopf.
Es wird ja Winter … Allein
Weitere Kostenlose Bücher