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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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zu.
    »Besuchszeiten für U-Häftlinge: 15 Minuten pro Woche.
    Besuchszeiten für fest Inhaftierte: 30 Minuten pro Woche.
    Besuchszeiten für Anwälte: zweimal 20 Minuten pro Woche! – Tischgespräch nur nach schriftlicher Genehmigung des Staatsanwaltes. Für Angehörige grundsätzlich keine Tischgespräche.«
    O Gott. Es ist alles so grauenvoll.
    Ich halte das nicht aus. Ich habe nicht die geringste Ahnung, was ich tun soll, wenn ich von dieser Bank aufstehe.
    Nein, das hier ist echt nicht meine Baustelle. Ich werde mich jetzt erheben, und dann werde ich ganz selbstverständlich hier rausspazieren, hinaus in den Sonnenschein, und mit Fanny einen schönen entspannten Sonntag verbringen. Und wenn sie mich fragt, wo ich war, dann … war ich eben joggen.
    Oder … Brötchen holen. Ja, das werde ich jetzt tun.
    In dem Moment öffnet sich die Tür, und mein Freund, der fröhliche Jungbauer vom Irrsee, steckt seinen Kopf herein: »Frau Hempel?! Ihr Insasse steht im Besucherraum bereit.«
    Mein Insasse? Hallo? Nicht dass hier von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen wird! Ich kenne den Menschen nicht, geht es mir Petrus-mäßig durch den Kopf, und im gleichen Moment komme ich mir unsäglich schäbig vor.
    Wie könnte ich Georg verleugnen? Er hat doch nur mich ! Und durch meine Schuld ist er jetzt im Knast! Natürlich ist das mein Insasse.
    Ich recke den Kopf. »Vielen Dank, Herr Tacke.«
    Mit zitternden Knien erhebe ich mich eilig, zirpe noch ein hastiges »Wiedersehen!« in den Warteraum und lasse mich durch die Sicherheitskontrolle führen.
     
    Mein Herz hämmert. Fast wird mir schlecht. Ich war in meinem ganzen Leben noch nicht so verunsichert. Ich betrete … einen Knast! Einen mit echten Verbrechern und Gewalttätern vollgestopften Knast!
    Rechts und links des Ganges liegen die Zellentüren. Winzige Gucklöcher sind nur von außen angebracht. Mein Jungbauer klirrt fröhlich mit einem riesigen Schlüsselbund und geht mir stolz voraus.
    »Hier haben wir den offenen Vollzug«, er zeigt auf einen Gemeinschaftsraum, aus dem mich einige Gesellen grimmig anblicken, »diese Insassen genießen Vergünstigungen.«
    »Ähm … welcher Art?!«
    »Sie dürfen sich frei im Trakt bewegen, können Karten spielen oder sich sogar einen Fernseher ausleihen. Allerdings müssen sie sich auf ein Programm einigen.« Er lacht. »Das ist für die meisten nicht so einfach. So hat immer der Zellenälteste das Sagen.«
    »Aha.« Mich fröstelt. Er will mir doch jetzt nicht das Gefängnis … zeigen?!
    Aber Joachim Tacke ist so froh, mich nach vielen Jahren einmal wiederzusehen, dass er mir bereitwillig eine Zelle im geschlossenen Trakt aufschließt: »Hier liegen sie mit sechs Mann.«
    Ein kahler Raum, in dem drei Stockbetten hintereinanderstehen, gähnt mich an.
    Derbe Wolldecken, die mich an Jugendherbergen erinnern, liegen auf den Betten, und an den Gittern sind ebenso unflauschige Handtücher zum Trocknen aufgehängt. Über einem der drei Betten kleben ein paar Schnappschüsse von einer jungen Frau und ihrem Baby an der Wand.
    Mir entfährt ein abgrundtiefer Seufzer. »Und wo sind die … Insassen gerade?«
    »Morgenappell. Im Innenhof.«
    »Gut. Prima. Ja. Also …«, ich lasse meinen Blick durch die Zelle schweifen, »das ist … alles sehr … imposant. Ich meine … eindrucksvoll. Wenn ich jetzt bitte meinen … ähm … Bekannten, dessentwegen ich eigentlich gekommen bin, besuchen könnte …«
    »Klar. Natürlich. Kommen Sie.« Wir gehen durch weitere lange, kahle Gänge.
    Als ein anerkennender Pfiff ertönt, spüre ich, dass ich aus den Luken in den Zellentüren beobachtet werde. Sofort mischt sich das Johlen und Pfeifen aus mehreren Männerkehlen darunter, und ich möchte vergehen vor Peinlichkeit und Scham. Aber ich gehe möglichst natürlich durch den Flur, so, als schritte ich bei einer Hausbesichtigung voran.
    Und hier sehen Sie die großzügig angelegten Schlafzimmer, die von außen abschließbar sind. Sie enthalten praktische Hochbetten und integrierte Toilettenschüsseln hinter geschmackvollem Sichtschutz. Geselligkeit und Gruppendynamik werden hier großgeschrieben. Die Gemeinschaftsduschen befinden sich …
    Endlich schließt der Jungbauer einen Raum am Ende des Ganges auf.
    Er ist in Orange gestrichen und enthält fünf identische Sitzplätze vor einer Glasscheibe. Man kann sich hier nicht berühren, nicht die Hand geben, nicht das Kind streicheln, geschweige denn seinen Liebsten umarmen.
    Also … mir ist diese

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