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Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Herzgesteuert: Roman (German Edition)

Titel: Herzgesteuert: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hera Lind
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Glasscheibe nur recht.
    »Das haben die Gefangenen immer wieder ausgenutzt«, erklärt der Jungbauer treuherzig, als er meinen entsetzten Blick bemerkt. »In den Windeln der Kinder hatten sie Rauschgift, in den Mündern der Kinder sogar oder in den Puppen, die die Kinder mitbrachten. Jetzt können sie sich nur noch durch die Glasscheibe unterhalten.«
    Mein Blick fällt auf die hinterste Sprechzelle, in der die Frau mit dem blauen Auge, die vorhin im Treppenhaus vor mir her gegangen ist, auf der Stuhlkante hockt. Sie spricht mit einem glatzköpfigen, bulligen Kerl, der in Handschellen auf der anderen Seite der Glaswand sitzt. Hinter ihm steht ein Aufseher und schaut betont woanders hin.
    In der mittleren Sprechbox nimmt soeben das junge Glück Platz: die Dicke in den Strickstrümpfen und ein finster aussehender Dürrer mit einer dicken Narbe an der Wange. Während sich jetzt auch noch die junge Frau mit dem quengelnden Kleinkind neben mir niederlässt, weist mir der Jungbauer lächelnd die erste Zelle zu. Irritiert schaue ich mich um. Jetzt bin ich eine von ihnen. Das kann doch gar nicht sein, ich meine … ich bin doch hier im völlig falschen Film!
    Mit weichen Knien sinke ich auf den schmucklosen Holzstuhl. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Gleich fällt es mir aus dem Mund. Hallo? Was mache ich hier? Warum hört dieser merkwürdige Traum nicht auf?
    In dem Moment geht auch schon auf der anderen Seite der Glaswand die Tür auf.
    Und da steht Georg.

29
     
    M ir zieht sich das Herz zusammen. Er sieht so blass aus und so unglücklich.
    »Ich bin’s«, sage ich verlegen. »Überraschung.«
    Ich breite die Arme aus, als ob ich ihn umarmen wollte. Dann fällt mir wieder ein, dass das gar nicht geht. Ich verschränke die Arme vor der Brust, weil mir nichts anderes einfällt.
    Es entsteht eine seltsame Pause. Georg trägt wie die anderen Häftlinge einen dunkelblauen Sträflingsanzug. Ich vermisse seine Mütze. Und seine löchrigen Handschuhe. Sein Gesicht ist frisch rasiert, und seine Haare sind ganz kurz geschnitten. Er sieht völlig verändert aus.
    Er mustert mich einen Moment aus zusammengekniffenen Augen. Sein Gesicht drückt völliges Unverständnis aus. So als wolle er sagen: »Die Frau und ich – das muss ein Irrtum sein.« Dann dreht sich Georg zu meinem Entsetzen um und klopft an die Tür, durch die er gerade gekommen ist. Was macht er bloß? Wo will er denn hin?
    Verwirrt starre ich auf seinen Rücken, auf dem eine Sträflingsnummer steht.
    Erwartungsvoll steht er an der Tür, die ihn wieder in sein unbekanntes Reich führen soll. Er will mich nicht sehen!
    So gedemütigt habe ich mich noch nie gefühlt. Er hat mit mir abgeschlossen! Er ist mit mir fertig! So endgültig fertig, dass er mich sogar in dieser Ausnahmesituation nicht sehen will! Ich habe nicht geahnt, dass er mich so hasst.
    Ich muss gestehen, ich bin verletzt. Georg behandelt mich , als wäre ich eine Aussätzige? Hallo?! Plötzlich verwandelt sich meine Verzweiflung in unbändige Wut.
    Bevor ich überlegen kann, was ich sagen oder rufen soll, öffnet sich die Tür, und er macht Anstalten zu verschwinden.
    Das kann er doch nicht machen! Ich meine, mich wie eine dumme Gans behandeln! Er ist in mein Leben geplatzt. Immer und immer wieder. In meinen Lieblingssupermarkt, in mein Badezimmer, in meine leer stehende Immobilie, in mein Auto, in mein … Leben !! Ich habe ihn nicht darum gebeten!! Und ich gutmütige bescheuerte Kuh wollte ihm helfen und habe mich dadurch in riesige Schwierigkeiten gebracht. Und meine Tochter Fanny ebenfalls.
    »Georg, jetzt reiß dich verdammt noch mal zusammen!«, höre ich mich in rüdem Ton rufen. »Glaubst du, Beleidigtsein bringt dich jetzt weiter?«
    O Gott. War ich das? Ich meine, war das meine Stimme, die da durch den Raum hallt? Ich höre mich an wie eine streitsüchtige Ehefrau!
    Die anderen Besucher und Insassen schauen irritiert auf. Selbst die Aufseher, die betont desinteressiert an die Wand gestarrt haben, blicken auf. Täusche ich mich, oder greift einer von ihnen reflexartig zu seiner Waffe?
    Georg zuckt zusammen.
    Ganz langsam dreht er sich wieder zu mir um.
    »Georg, bitte !«, stöhne ich verzweifelt. »Ich stehe zu dir! Ich lass dich nicht im Stich! Aber gib mir wenigstens eine Chance!«
    Jetzt laufen mir die Tränen über die Wangen. Verdammt. Ich habe mich ja gar nicht mehr im Griff.
    »Setz dich schon hin, bitte ! Wir haben genau fünfzehn Minuten Zeit!« Ich schaue auf meine goldene

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