Herzgesteuert: Roman (German Edition)
glaube, sie war fast jeden Tag mit dem Kinderwagen im Park.
Insofern ist dieses Baby ein Segen, und manchmal bin ich Karsten Korzkamp richtig dankbar, dass meine Fanny wieder sinnvoll beschäftigt ist.
Endlich sind die Festspiele vorbei.
Die Gäste sind zum Großteil wieder abgereist, und es wird ruhiger in den engen Gassen der Altstadt. Um diese Zeit gehen Immobilien nicht mehr weg wie warme Semmeln, denn es wird früher dunkel, und oft legt sich Nebel über Hügel und Täler.
An einem regnerischen Septembertag schreckt mich ein Anruf in meiner Kanzlei aus meinen Gedanken: Es ist der berühmte ehemalige Tennisspieler, dem ich vor drei Jahren eine nagelneue Immobilie in Kitzbühel am Sonnbichl vermittelt habe. Das Anwesen ist ein Traum: vier Schlafzimmer, Landhausküche, Zirbelholzstube, Kachelofen, zusätzlich ein offener Kamin im Wohnzimmer, Büro, holzvertäfelte Diele, Natursteinbäder, Doppelgarage, ein nach seinen Wünschen ausgebauter Fitnesskeller mit Hallenbad, Garten mit Pool und riesiger Sonnenterrasse.
Trotzdem: Der Tennisspieler ist seines Ferienhauses in Kitzbühel überdrüssig. Er war im Ganzen nur dreimal da, und auch nur, weil seine damalige Freundin ein begeistertes Skihaserl war.
Heute ruft er aus Monte Carlo an, wo er eine neue Freundin hat. Die ist ein französisches Topmodel und darf nicht Ski fahren, damit sie sich nicht die Haxen bricht. Die exklusive Landhausvilla auf der Sonnenseite Kitzbühels steht also ab sofort zum Verkauf. Der Tennisspieler hat neben mir auch noch die Agentur Korzkamp mit dem Verkauf der Liegenschaft beauftragt. Wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Der maulfaule Tennisspieler hätte die Knete gerne bald, und zwar in bar, da sie in Monte Carlo besser aufgehoben ist. Die ganze Sache hätte er gerne diskret über seinen Notar abgewickelt. Der Kaufpreis beträgt sechs Millionen.
Ich schlucke. Bei drei Prozent Provision macht das für mich … meine Augen werden zu Eurozeichen: 180 000 Euro!!
Wegen der Skisaison wäre es allerdings ratsam, die Liegenschaft noch vor Wintereinbruch an den Mann zu bringen. Wie ich das mache, ist mein Problem.
»Gut, super, so machen wir’s, viele Grüße, Bussi baa baa.«
Sofort schlägt mein Herz höher. In Sekundenschnelle gehen meine Gehirnzellen jeden infrage kommenden Kandidaten durch, der sich für Kitzbühel interessiert und die entsprechenden finanziellen Mittel hat: der neureiche Russe mit dem Privatflieger und der völlig entstellten, gelifteten Barbiepuppe. Der englische Schraubenfabrikant mit dem Glasauge, der mit zweiundfünfzig noch bei seiner Mutter wohnt. Der Pharmaindustrielle aus Mannheim, dessen unehelicher Sohn ihn auf neun Million Euro verklagt hat. Der holländische Reisebusunternehmer, mit dem ich mal im Bayrischen Hof in der Bar geflirtet habe. Der Prominentenrechtsanwalt aus Hamburg, der den Prinzen von Hohenlohe vertritt, und der Kaffeeröster, den ich zuletzt in Baden-Baden beim Pferderennen getroffen habe. Und vielleicht noch der Banker aus New York, der am gleichen Tag wie ich geboren ist und über geschätzte 200 Millionen Dollar verfügt? Sie alle haben mich schon nach einer repräsentativen Immobilie in Kitzbühel gefragt, nicht zuletzt, weil die Immobilienpreise dort in den letzten zwölf Jahren um 400 Prozent gestiegen sind. Um vierhundert Prozent. Das muss man sich mal auf der Zunge zergehen lassen! Jeder, der Geld hat, ist also geradezu sträflich dumm, sich nicht in Kitzbühel eine luxuriöse Immobilie zu kaufen!
Der Reihe nach telefoniere ich meine Pappenheimer durch. Mit lockerem Plauderton versuche ich zu vertuschen, wie aufgeregt ich bin. Nein, niemand von ihnen ist im Moment interessiert oder hat das nötige Kleingeld übrig. Oder aber man hat schon eine Immobilie in Kitzbühel. Der erfolgreiche Banker aus New York, der auf den Tag genauso alt ist wie ich (und ungerechterweise hundertmal so viel Knete hat wie ich), hat gerade von Konkurrent Karsten Korzkamp das schlossähnliche Traumanwesen am Fuße des Hahnenkamms erstanden, was ich persönlich sehr bedauere, da es keine Abendsonne hat. Hätte er doch nur mich gefragt! Wie soll der Mann aus New York auch wissen, dass seine Achtmillionenhütte ab 14 Uhr im Schatten steht!
Ich raufe mir die Haare und laufe in meinem Büro auf und ab. Wen könnte ich noch anrufen, wer könnte mir sofort einen solventen Kunden vermitteln? Alle meine Schwestern vom Club der Unternehmerinnen, alle ehemaligen Käufer, Geschäftsfreunde, Mitglieder des Golf-,
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