Herzgesteuert: Roman (German Edition)
Rotarier- und Lions-Clubs werden durchtelefoniert. Leider schaffe ich es deshalb wieder mal nicht, zum Abendessen zu Hause zu sein, und das schlechte Gewissen nagt an mir.
Doch scheint sich meine Mühe zu lohnen! Über mehrere Ecken erhalte ich eine Riesenchance, die mich vor Aufregung zittern lässt: Ein Sohn des jordanischen Königs, Prinz von Zamunda, weilt zufällig gerade im Arosa in Kitzbühel. Was natürlich keiner wissen darf außer mir, haha! Jetzt weiß ich wieder, wofür meine Netzwerke und meine ständige Präsenz in diesen Kreisen gut sind!
Nach mehreren Versuchen erreiche ich den Prinzen gegen Mitternacht in seinen Gemächern im Arosa und bringe ihn dazu, dass er sich das Ferienhaus von dem Tennisspieler in Kitzbühel ansehen möchte! Allerdings gleich morgen früh, da er abends bereits in Athen einen anderen Termin hat. Hurra, ich bin flexibel! Kein Problem, morgen früh bin ich da! Da der Königssohn in Geld schwimmt, ist für ihn so ein Hauskaufso was Ähnliches wie für mich der Kauf von Strümpfen bei Wolford.
Als ich am nächsten Morgen in aller Herrgottsfrühe zu meiner Spritztour nach Kitzbühel aufbreche, triumphiere ich innerlich bereits. Mit etwas Glück werde ich heute Abend keine Antiquitäten und Berberteppiche mehr, aber dafür einen prall gefüllten Geldkoffer mit meiner Provision von 180 000 Euro im Wagen haben! Diese Nacht- und Nebelaktion beginnt mir richtig Spaß zu machen! Bevor das Igelpaar Korzkamp überhaupt Witterung von dem Prinzen von Zamunda aufnehmen kann, ist der Hase Juliane schon wieder zu Hause!
Wenn dieser Deal gelingt, werde ich mit gutem Gewissen mit Fanny diese Kreuzfahrt in die Karibik machen. Ich lege ihr einen Zettel neben den Wecker, den ich auf sechs Uhr dreißig gestellt habe:
»Liebes, habe einen megadicken Fisch an der Angel, jordanicher Prinz kauft wahrscheinlich Tennisspielervilla in Kitzbühel! Treffe ihn heute um neun im Arosa zum Frühstück, ist das nicht der Wahnsinn? Bin heute Abend zurück! Liebe Dich und bin stolz auf Dich. Pass in Mathe auf! Mami!«
Geschäftig husche ich durch den Vorgarten und eile zu meinem Mercedes-Bus, bemüht, kein überflüssiges Geräusch zu machen. Bei Christiane sind die Rollläden noch unten. Und das sollen sie auch bleiben, zumindest bis ich weg bin.
Es ist noch dunkel, und die Scheiben meines Mercedes-Busses sind mit Raureif bedeckt. Ich reiße die Fahrertür auf, werfe meine Handtasche und den ganzen Kram, den ich für die Hausbesichtigung brauche, auf den freien Beifahrersitz und beginne leise schimpfend den Eiskratzer zu suchen, mit dem ich die Scheiben frei kratzen will. Wo ist er nur? Im Handschuhfach ebenso wenig wie in den Seitenfächern. Dort befinden sich nur abgebrochene Malstifte, ineinander verschlungene Kopfhörer samt CD-Player, zusammengedrückte leere Coladosen, eine zerfledderte Bravo von Fanny und sonstiger Müll. Ich krieche zwischen die Vordersitze und fluche, weil Fanny wieder mal eine leere Pizzaverpackung auf dem Fußboden hat liegen lassen. Widerwillig schnuppere ich daran: Das riecht ja scheußlich! Flink starte ich den Motor und lasse das Gebläse erst mal so richtig durchpusten. Das Heißluftsystem wird mir die Fenster schon durchsichtig machen. »Das Pizzazeug kann ich irgendwo unterwegs auf einem Rastplatz entsorgen, wenn ich sowieso mal Pipi muss«, brabbele ich in die morgendliche Stille hinein.
In wilder Hast fahre ich rückwärts aus der Einfahrt, wobei ich mich noch nicht mal umblicke, denn diese Übung beherrsche ich ohne hinzusehen.
Ich schalte das Radio an und höre die Verkehrshinweise. »Noch sind die Straßen frei, liebe Leute, aber mit Beginn des Berufsverkehrs dürfte mit Stau und Verkehrsbehinderungen zu rechnen sein. Besonders in Tirol auf der Bundesstraße vor Lofer ist mit kilometerlangen Schlangen zu rechnen, wir empfehlen die Umleitung über Zell am See. Außerdem streiken heute in ganz Österreich die Eisenbahner, mit hohem Verkehrsaufkommen ist also überall zu rechen …«
»Die kluge Jungfrau hat vorgesorgt«, gebe ich selbstzufrieden von mir und brettere mit eingeschränkter Sicht die Zufahrt hinunter. An der Hauptstraße ist die Ampel noch auf Dauerblinklicht geschaltet, und ich fädele mich in den fließenden Verkehr ein.
»Das hätten wir«, stelle ich zufrieden fest, während ich mit der rechten Hand in meiner Handtasche wühle. »Handy, Notebook, Schminkzeug, Terminkalender, Müsliriegel«, zähle ich meine Habseligkeiten auf.
Während ich zügig
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