Herzgesteuert: Roman (German Edition)
umfallen.
Was eigentlich für die Sache spricht.
Unwillkürlich muss ich lächeln, als ich mich in solche Hirngespinste verstricke. Wahrscheinlich stehe ich noch so sehr unter Schock, dass ich immer noch keinen klaren Gedanken fassen kann.
Hal-lo? Erde an Juliane? Was machst du da? Sitzt mit einem Penner auf einem Autobahnparkplatz in der felsigen Einöde und zeichnest Rhomben und Trapeze an die Scheibe!?
Hast du sie noch alle? Während der Prinz von Zamunda mit dem Frühstück auf dich wartet? Es geht um Minuten! Hast du das vergessen?
Wahrscheinlich fährt Konkurrent Karsten Korzkamp mit Kirsten auf dem Rücksitz und Schiela Natascha in der Tasche gerade kalt lächelnd an uns vorbei?
Mein Blick fällt auf die Uhr, die leise, aber unablässig vor sich hin tickt. Verdammt! Eine halbe Stunde sitzen wir hier schon herum und reden über stumpfwinklige Dreiecke und Gurkenbrote?!
Schließlich richte ich mich auf: »Hören Sie, das ist nett von Ihnen, und ich werde mich auch irgendwann bei passender Gelegenheit erkenntlich zeigen, aber ich habe einen wahnsinnig wichtigen Termin in Kitzbühel. Es geht um ein Riesenobjekt, das ich an einen ganz dicken Fisch verkaufen kann.«
»Ich weiß«, sagt der Penner höflich. »Der Prinz von Zamunda. Und der maulfaule schwanzgesteuerte Tennisspieler.«
»Hä?«
»Na, Sie führen den ganzen Morgen Selbstgespräche!«
Scheiße. Natürlich. Mann, ist das peinlich! Habe ich … sonst noch was Undamenhaftes gemacht? Mir schießt die Schamesröte ins Gesicht. Manchmal hebe ich nämlich nach einem Kaffee im Auto einfach eine Pobacke und … schicke einen Morgengruß in den Fahrtwind …
»Oh«, sage ich benommen. »Jedenfalls lasse ich Sie jetzt hier raus. Schönen Tag noch.«
»Natürlich«, sagt er mit völlig veränderter Stimme. »Und vielen Dank fürs Mitnehmen.« Sein Lächeln erstirbt, er sieht aus, als hätte ich ihn geohrfeigt. Einen Moment lang starrt er mich von der Seite an und sagt nichts. Dann greifen seine behandschuhten Hände nach dem Türknauf, und er steigt aus.
»Gute Fahrt und viel Erfolg.«
»Sie kommen schon wieder heim«, sage ich leichthin, während ich an ihm vorbeigehe und auf der Fahrerseite einsteige. Er hält mir galant die Tür auf. Ich streiche mir das Haar aus dem Gesicht und werfe es mit Schwung nach hinten.
Ich bin eine Dame.
Und er ist ein Penner. Er hat mir jetzt bestimmt schon den zweiten großen Deal versaut, meine Tochter und mich entzweit und mich unendlich viel Zeit und Nerven gekostet. Beim Elternabend hat er mich auch in Verruf gebracht. Alle Leute wissen schon, dass meine Tochter mit einem Penner abhängt. Und ich gelte als Rabenmutter, die nicht auf ihre Tochter aufpassen kann. Der soll sich endlich aus unserem Leben verziehen!
Auf Nimmerwiedersehen. Gehab dich wohl.
»Einfach den Daumen raushalten«, schlage ich vor. »Sie sind ja ein cleverer Bursche …, um Sie muss ich mir keine Sorgen machen.«
Mit Schwung knalle ich die Tür zu und lasse den armen Mann draußen stehen.
Gleich darauf bereue ich die zynischen Worte, die mir da aus dem Munde gepurzelt sind. Mann, Juliane, das musste doch nicht sein. Das ist ein denkbar ungünstiger Ort, um ihn hier auszusetzen, hier so mitten in der Wildnis zwischen Felsenklüften und Schluchten. Ich weiß gar nicht, ob es hier überhaupt einen Fußweg gibt. Wir stehen auf einem Parkplatz zwischen zwei Autobahntunneln. Mein Herz zieht sich schmerzhaft zusammen. Es kann doch nicht sein, dass ich … so etwas wie Zuneigung zu diesem Kerl empfinde? Nur weil er Mathe kann, meine Gurkenbrote mag und so liebe braune Augen hat?
Der Penner starrt kurz zu Boden, dann sieht er wieder auf. Offensichtlich möchte er noch was sagen, also mache ich Tür noch mal auf.
»Der Aufenthalt in Ihrem Wagen war sehr schön, und ich danke Ihnen für die angenehme Fahrt. Bitte grüßen Sie Fanny von mir. Und Sie werden den Deal heute machen.« Er nickt und presst die Mundwinkel aufeinander.
Darauf war ich jetzt überhaupt nicht vorbereitet. Dass der so höflich ist und kein bisschen mit mir verhandeln will. Geschweige denn einen Stein hinter mir her wirft oder mich beschimpft.
»Keine Ursache«, sage ich freundlich. »Jetzt muss ich aber los.«
Entschlossen knalle ich die Tür zu – Finger weg! – und gebe Gas.
Er tritt hastig einen Schritt zurück, und sein Mantel weht im Wind.
16
I m Rückspiegel sehe ich den Mann auf dem Parkplatz stehen. Er schaut mir mit undurchdringlichem Gesicht hinterher.
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