Herzgesteuert: Roman (German Edition)
das Autofenster, und ich schüttele seinen Strickhandschuh. Er drückt ziemlich beherzt zu, und ich lächle schwach.
Dieser Mann wird mir wohl erhalten bleiben …
»Das ist ja irgendwie Quatsch, wenn ich Sie hier stehen lasse«, sprudelt es aus mir heraus. »Ich meine, Sie können ja schlecht zu Fuß zurückgehen. Außerdem würde Fanny mir das wohl nie verzeihen!« Ich ertappe mich bei einem kumpelhaften Grinsen.
In seinen braunen Augen blitzt Überraschung auf, und ich bekomme Herzklopfen. Warum denn das jetzt? Der Mann berührt mich doch nicht etwa? Ich meine, er berührt doch nicht etwa mein Herz? Was mache ich bloß hier? Ich bin irgendwie … herzgesteuert! Ich sollte doch längst in Kitzbühel sein!
Mein Hase-und-Igel-Wettlauf mit Karsten und Kirsten! Ich werde schon wieder den Kürzeren ziehen!
Fest entschlossen zwinge ich mich, mein Hirn wieder einzuschalten.
Wenn ich diesen Georg schon dabeihabe, kann er mir eventuell beim Ausladen der Sachen helfen … Ich meine, wenn er sonst nichts vorhat heute …
Andererseits muss ich zuerst mit dem Prinzen von Zamunda frühstücken, wir sind um neun Uhr im Hotel verabredet, und so wie er aussieht …
Es entsteht eine Pause, und er macht keinerlei Anstalten, wieder einzusteigen.
»Ich nehme Sie einfach noch ein Stück mit«, sage ich etwas beklommen.
Keine Ahnung, was mir da in den Sinn gekommen ist. Ich meine, ich kann doch unmöglich mit einem Penner in einem Fünfsternehotel erscheinen! Und in der Tennisspielervilla am Sonnbichl erst recht nicht !
»Wohin wollen Sie mich denn mitnehmen?«, fragt Georg schließlich gedehnt, als könnte er Gedanken lesen, und steckt seine Hand in die übergroße Manteltasche.
Tja, das ist eine gute Frage.
Nun, wir könnten zur Kur nach Bad Herrenalb fahren, oder zum Wandern in die Eifel. Oder vielleicht mag er lieber an den Gardasee?
»Ich weiß nicht«, sage ich und lache unsicher. »Aber morgen fahre ich wieder zurück nach Salzburg, da könnte ich Sie am Park absetzen, und dann wären Sie …« Ich schlucke. »… auch wieder daheim.«
»Ich will Ihnen keine Umstände bereiten.«
»Das tun Sie ohnehin schon«, sage ich schon etwas milder als vorhin und zeige einladend auf den Beifahrersitz.
Georg nimmt sein Bündel, das neben ihm auf dem Parkplatz gelegen hat, und steigt zögerlich ein. Erst jetzt sehe ich, was er da mit sich herumträgt: Es ist das inzwischen stark angeschmuddelte Schmusekissen von Fanny, mit der schon leicht verblichenen Aufschrift: »Ohne dich ist alles doof.«
Vor lauter Nervosität lache ich kurz auf, und er lacht mit.
»Tja, das ist mein Lieblingskopfkissen«, erklärt er verlegen, »damit kann ich überall einschlafen.«
»Das hat Sie auch schon aus so manch prekärer Situation gerettet«, knurre ich, unserer ersten Begegnung gedenkend.
»Entschuldigung«, sagt er nun schon zum hundertsten Mal. »Ich weiß auch nicht, warum wir uns immer so überraschend begegnen.«
»An mir liegt es nicht«, stelle ich klar.
»Es freut mich jedenfalls sehr, dass Sie umgekehrt sind und mich hier nicht einfach stehen gelassen haben.« Er wendet mir sein Gesicht zu und … bilde ich mir das ein, oder wollte seine behandschuhte Hand mir gerade über die Wange streichen? Sie zuckt zurück. »Danke, Juliane. Ähm, ich meine, Frau Hempel.«
Vor lauter Erleichterung muss ich kichern.
»Sie können ruhig Juliane sagen«, sage ich und brause endlich Richtung Kitzbühel.
Zuerst schweigen wir ziemlich lange und schauen stur geradeaus. Dann fangen wir in derselben Sekunde plötzlich an zu reden.
»Wie sind Sie eigentlich …«, sagen wir beide gleichzeitig und brechen genau so abrupt wieder ab.
»Ähm – Sie zuerst.«
»Nein, Sie.«
»Nein wirklich. Bitte nach Ihnen.«
»Also, wie sind Sie eigentlich Immobilienmaklerin geworden?«, fragt Georg, und seine wachen Augen mustern mich interessiert. Ein kleines bisschen verlegen macht mich das schon. Ich erzähle ihm von der Annonce, die ich in den Salzburger Nachrichten gelesen hatte: »Junge Dame mit Verkaufstalent als Neueinsteigerin gesucht« – von meinem damaligen Chef Karsten Korzkamp, der mich zuerst als Sekretärin einstellte und mir dann die höheren Weihen der Immobilienmaklerei erteilte, von unserer … ähm … sehr fruchtbaren Zusammenarbeit (hier müssen wir beide kurz lachen) – also Georg ist nicht gerade auf der Nudelsuppe dahergeschwommen! – und von meinem Entschluss, mich als alleinerziehende Mutter selbstständig zu machen. Die
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