Herzgesteuert: Roman (German Edition)
und starren mich erwartungsvoll an.
»Da kommt wieder die Irre, die immer um die Blumentöpfe kurvt!«
Ha. Falsch gedacht.
Ich steige hoch erhobenen Hauptes so damenhaft aus dem Wagen, dass man nur bei näherem Hinsehen das Zittern meiner Knie wahrnehmen könnte, und werfe einem Pagen lässig die Autoschlüssel zu.
»Bitte mal in die Waschanlage fahren und auch von innen gründlich säubern, ja?«
»Natürlich. Wird sofort gemacht.«
»Der Prinz von Zamunda erwartet mich«, sage ich cool zu dem Hoteldirektor, der mir, bereits alarmiert, entgegeneilt. Er schaut mich mit seltsamem Blick an.
»Ähm, Quatsch. Jordanien. Nicht Zamunda. Was rede ich denn da.«
»Sind Sie sicher, dass bei Ihnen alles in Ordnung ist?«
»Ja. Klar. Völlig sicher. Warum?« Mist. Wahrscheinlich ist meine Wimperntusche vom Heulen und Zetern völlig verschmiert. Wahrscheinlich sehe ich völlig ramponiert aus. Ich ziehe meine Sonnenbrille aus der Chanel-Tasche und setze sie möglichst lässig auf. »Ist noch irgendwas?«
»Wollen Sie sich vielleicht … ähm … noch etwas frisch machen?«
Das will ich. Allerdings. Ich muss ja so was von dringend!
Willig trabe ich hinter dem Mann her, der mich diskret zu einer luxuriösen Damentoilette dirigiert. »Ich warte hier. Lassen Sie sich Zeit.«
Ein Blick in den Spiegel, und ich falle fast in Ohnmacht: Die gehetzte fleckige Frau mit den verklebten Haaren und dem irren Blick, die mir da wie im Fieber entgegenglotzt, kenne ich nicht.
O Gott. Wie soll ich denn jetzt …
Komm jetzt, reiß dich zusammen, Juliane. Einmal tief durchatmen und so tun, als wäre alles ganz normal. Nur keine Panik. Das schaffst du schon!
Hektisch greife ich in meine Handtasche und zaubere das nötige Besteck hervor, um aus mir wieder eine halbwegs ansehnliche Dame der Gesellschaft zu machen. Glücklicherweise bin ich in solchen Handgriffen geübt und habe ein gewisses Vertrauen in die Wiederherstellbarkeit meines Soll-Zustandes.
Als ich zehn Minuten später wieder herauskomme, breitet sich ein Lächeln auf dem Gesicht des wartenden Hoteldirektors aus.
»Na bitte. Geht doch schon wieder.« Er weist mir, nun schon sehr viel liebenswürdiger als vorhin, den Weg zum Fahrstuhl, wo wir eine halbe Minute schweigend verharren. Nun habe ich genau eine Stunde Verspätung.
Danke, Georg. Ich traue mich nicht, den Hoteldirektor anzulächeln.
Jeder schaut auf die gegenüberliegende Wand.
Wissen Sie, ich hatte nämlich einen Penner im Auto.
Ach so. Ja, ähm. Hüstel. Das kommt ja vor.
Und den musste ich erst irgendwie entsorgen.
Da muss man aufpassen. Die zerbeißen einem gern die Kabel, und dann springt der Motor nicht mehr an.
Ich überlege gerade, ob ich dem Mann meine unglaubliche Geschichte von heute Morgen brühwarm erzählen soll, als sich die Fahrstuhltür auch schon wieder öffnet.
»Bitte hier entlang.« Der Hoteldirektor führt mich durch die riesige Eingangshalle, in deren Sitzgruppen überall stinkreiche Russen lümmeln und schon am frühen Morgen Champagner trinken.
Im Restaurant herrscht reges Gedrängel. Ganz hinten an der offenen Fensterfront vor der Terrasse mit den Liegestühlen sitzt ein Araber.
Allerdings ist er nicht allein. Er plaudert gerade mit einer jungen Frau, die mir den Rücken zukehrt. Die beiden trinken Champagner, und ich höre ein klirrendes Lachen.
Die fiese Kirsten!
Na warte, du Hexe.
Dieses Mal klaust du mir nicht den Kunden. Dieses Mal nicht!!
Entschlossenen Schrittes durchmesse ich das Restaurant. So. Das hier ist meine Baustelle. Erhobenen Hauptes baue ich mich vor dem Tisch auf.
»I’m very sorry, Your Royal Highness«, sage ich und wende sogleich den Kopf: »Kirsten, hast du dich nicht im Tisch geirrt?« Schneidender kann sogar die Stimme meiner Schwester nicht klingen.
Kirsten springt hastig auf und reißt ungeschickt ihre Serviette hoch, wobei ihr das noch halb gefüllte Glas auf den Schoß fällt. Ein hässlicher Fleck macht sich auf ihrem pinkfarbenen Minirock breit. »Oh, Juliane! Ich dachte, ich überbrücke dem Prinzen die Wartezeit, falls du wieder nicht kommst, wie damals, bei der Dirigentenvilla …«
»Vielen Dank, aber ich lasse nicht jeden Kunden im Regen stehen.« Mein eisiger Blick lässt sie ganz blass werden. »Übrigens – die Toiletten sind dort hinten.«
»Immobilien Glücksgriff«, sage ich mit festem Blick und zwinge mich zu einem bezaubernden Lächeln. »Leben im Paradies. Wir haben eben noch telefoniert. Es tut mir wirklich leid, dass ich
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