Herzgrab: Thriller (German Edition)
Eindruck, dass die Casa delle Rose von Tag zu Tag schäbiger wurde. Besonders nachts wirkte der abbruchreife Kasten, als wohnte kein Mensch in dem Gebäude.
Der fette Portier, der wie immer ein fleckiges und verschwitztes Unterhemd trug, lag rücklings in seinem Drehstuhl mit den Beinen auf dem Rezeptionstisch und schnarchte so laut, dass der kleine Hammer in der Tischklingel vibrierte.
Gerink ging nicht lauter als nötig an dem Mann vorbei zur Treppe. Scatozza war nicht so feinfühlig. Er trampelte absichtlich laut über die Dielenbretter und knallte die Hand im Vorbeigehen auf die Klingel.
» Buonasera! «
Der Fette fuhr im Schlaf hoch und wäre beinahe von seinem Drehstuhl gerutscht.
» Du bist so kindisch « , murmelte Gerink.
Scatozza schmunzelte.
Der Fettklops schickte Scatozza einen Fluch hinterher, den dieser großzügig ignorierte. Sie stiegen die Treppe hoch und gingen über das knarrende Parkett zu ihrem Zimmer. Die Honeymoon-Suite lag am Ende des Gangs. Auf den zwei großen roten Herzen des Fußabtreters klebte dunkle Erde.
In dem Moment, als Gerink die Tür öffnete und im Dunkeln nach dem Lichtschalter tastete, spürte er, dass etwas nicht stimmte. Zu spät zog er die Hand zurück. Der Faustschlag traf ihn wie eine Granate in den Solarplexus. Er rang nach Atem und schmeckte zugleich Magensäure in seinem Rachen. Noch bevor er die Arme hochreißen konnte, um den nächsten Schlag abzuwehren, wurde er von mehreren Händen gepackt und in den Raum gezerrt. Mit dem Gesicht voran krachte er an die gegenüberliegende Wand. Er schaffte es, sich zu drehen und einem Mann das Knie in die Lenden zu rammen, wurde aber sogleich von zwei Kerlen mit einem schmerzhaften Griff fixiert.
Scatozza erging es nicht anders. Gerink sah seine Silho uet te im Türrahmen. Zwei Männer droschen im Gang auf seinen Partner ein, doch der Sizilianer reagierte so schnell, dass er einen von ihnen mit einem Faustschlag gegen die Nase auf die Bretter schickte. Im nächsten Moment hatten sie aber auch ihn mit einem Haltegriff gepackt und ins Zimmer gezerrt.
Dann flammte das Licht auf. Die Italiener waren zu fünft. Vier etwa so groß wie Scatozza und der fünfte ein Knirps mit Freistilringerfigur. Ihn hatte Gerink mit dem Knie getroffen. Sie hatten kantige Gesichter, einen wilden Blick und trugen ebenso wie Scatozza und er schwarze Hosen und dunkle Pullover. Willkommen im Klub! Die Luft im Zimmer war mit Testosteron so geschwängert, dass die Ausdünstung der Männer Gerink an die aufgeladene Stimmung bei einem Hundekampf in einem Kneipenkeller erinnerte. In diesem Moment hätten ein bloßer Blick, eine Bewegung oder ein falsches Wort genügt, und die Situation wäre eskaliert. Ziemlich unpassend für ein nächtliches Treffen in einer Honeymoon-Suite.
Der breitschultrige Mann mit der gebrochenen Nase wollte Scatozza am liebsten an die Gurgel gehen, doch der Freistilringer bremste ihn mit einer Handbewegung aus.
» Stopp, Massimo! «
Scatozzas Lippe war aufgeplatzt. Blut lief ihm übers Kinn und tropfte auf seine Brust. Zum Glück trug er keines seiner blütenweißen Hugo-Boss-Hemden, sonst wäre er durchgedreht. Während der Freistilringer mit dem Handy telefonierte, wurden sie von den vier Riesen nach Waffen abgetastet. Sie nahmen Gerink das Handy ab und fanden bei Scatozza das iPhone, die Walther und ein Reservemagazin. Sie legten alle Gegenstände auf den Tisch zu Scatozzas Laptop. Zum Glück lagen die Nachtsichtgeräte im Wagen.
Gerink bemerkte das Funkeln in Scatozzas Augen. Es besagte: Jungs, lasst die Finger von meinem Computer! Nachdem die Leibesvisitation beendet war, wurde jeder von ihnen auf einen Stuhl gedrückt.
Der Freistilringer hob den Zeigefinger. » Un momento! «
Mehr sagte er nicht. Die Männer verteilten sich im Raum und warteten. Soweit Gerink erkennen konnte, waren sie unbewaffnet. Aber sobald er auch nur einen Finger rührte, trat eines der Ungetüme an ihn heran und legte ihm die Pranke auf die Schulter. Was immer sie bis jetzt erfahren oder welches Nest sie aufgewühlt hatten – dadurch war jemand aufgescheucht worden, der mittlerweile verdammt nervös geworden war. An Scatozzas Blick sah er, dass ihm ähnliche Gedanken durch den Kopf gingen. Auf wen warteten die Kerle bloß? Da drangen auch schon die ersten Schritte durchs Treppenhaus und näherten sich ihrem Zimmer.
Gerink hatte mit Vito Tassini oder Zenobia Del Vecchio gerechnet, doch ein kleiner Mann trat ein, den sie ebenfalls gut kannten. Der
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