Herzgrab: Thriller (German Edition)
eines viel kleineren gebückten Mannes. Sie unterhielten sich. Der Kleine hatte eine nuschelnde, griesgrämige Stimme.
Du darfst nicht wieder bewusstlos werden, schärfte sie sich ein. Nicht jetzt! Vielleicht hing ihr Leben davon ab. Doch sie spürte, wie sie langsam wegdriftete. Du darfst nicht bewusstlos werden! Sie biss sich auf die Zunge und schmeckte ihr Blut. Der Schmerz holte sie zurück.
Bleib wach! Es ist lebenswichtig. Hör auf jedes Detail.
Die Männer unterhielten sich, doch Teresa begriff nichts davon.
Ihre Augen fielen zu, doch bevor ihr Geist wieder wegsackte und sie in ein tiefes Loch riss, biss sie sich erneut auf die Zunge.
Bitter schmeckendes Blut lief ihre Kehle hinunter.
Der Kleine beugte sich über sie und musterte ihr Gesicht. Sie roch seinen schlechten Atem und sah die Lichtreflektion in seiner Aschenbecher-Brille.
Worüber redeten die beiden?
Sie hörte nur Wortfetzen.
Aber sie erkannte die Sprache. Deutsch!
Das war es. Sie unterhielten sich mit einem harten nordostdeutschen Akzent. Sie kannte die Betonung von Arbeitskollegen im Krankenhaus, die aus Mecklenburg stammten. Es war der gleiche Akzent, mit dem ihr der Glatzkopf vor Tagen gesagt hatte, was mit ihr geschehen würde.
Und dann fiel mitten im Gespräch ein Name, den Teresa sich einprägte.
Nun hatte sie einen Vornamen zu dem glatzköpfigen Bastard.
In diesem Moment wusste sie, dass ihr die Flucht aus diesem Kellerloch gelingen musste.
Irgendwie.
Irgendwann.
Und dann würde sie Viktor, diesen Schweinehund, dafür bluten lassen.
III – Mittwoch, 26. Mai
» Oft wird zum Dorn im Auge,
was einst ein Röslein war. «
Klaus Klages
26
Als Elena kurz vor sechs Uhr morgens die Abflughalle des Flughafens Wien-Schwechat erreichte, tippte sie eine längere SMS an Toni, die sie heute Morgen nicht mehr gesehen hatte. Sie teilte ihr mit, dass das Revers des Blazers eingerissen sei und sie die Kosten für die Schneiderin übernehmen werde. Vorsorglich hatte sie hundert Euro auf dem Küchentisch hinterlassen.
Danach kaufte sie in einer Buchhandlung einen Reiseführer der Toskana mit Adressen von Unterkünften und die Morgenausgaben der Zeitungen. Normalerweise las sie diese Blätter nicht, da sie nur Wochen- und Monatsmagazine abonniert hatte. Allerdings besaßen die Tageszeitungen einen Vorteil: In der sogenannten Saure-Gurken-Zeit suchten sie verbissen nach reißerischen Schlagzeilen – wie auch an diesem Morgen.
Rekordwert bei Versteigerung erzielt! 17 Millionen Euro für den neuen Del Vecchio.
Elena steckte die Lektüre ins Handgepäck. Bevor sie das Handy abschaltete, wollte sie Peter noch eine kurze Nachricht auf der Mobilbox hinterlassen, dass sie beruflich nach Italien fliege. Sie wählte seine Nummer, doch überraschenderweise nahm er das Gespräch entgegen.
» Hallo, Elena « , knarrte seine Stimme. Wie immer klang sie am frühen Morgen rau und belegt.
» Du bist schon auf? «
» Ich hatte eine beschissene Nacht. «
Ziemlich mies gelaunt. » Dir geht’s also nicht gut. « Sie schwieg eine Weile. » Das tut mir leid. «
» Ich arbeite mit deinem neuen Liebhaber an einem Fall. Wie soll es mir da schon gehen? « , antwortete er trocken.
Deinem neuen Liebhaber! Puh, das hatte gesessen.
» Gibst du mir jetzt auch noch die Schuld daran, dass eure Ermittlungen schlecht laufen? « , antwortete sie eine Spur zu bissig, obwohl sie das gar nicht wollte.
» Na ja, Frau Gerink, ein förderliches Gefühl ist es nicht gerade. «
Frau Gerink! Sie hasste es, wenn er in diesem Ton mit ihr sprach. » Eigentlich habe ich nicht angerufen, um mir einen Vortrag über meine Fehler anzuhören oder mir eine Portion Schuldgefühle zu holen. Ich mache mir ohnehin dauernd Vorwürfe. «
» Du Arme « , antwortete er ironisch. » Sag bloß, du leidest? Mir hingegen geht es glänzend, besonders mit Dino an der Arschbacke. Ich muss ja nur einen klaren Kopf bei meinem Job bewahren und vergessen, dass ich ihm am liebsten eine reinhauen würde. «
Was war das jetzt? » Hör mal, auch ich arbeite hart und habe so meine Probleme mit meinen Fällen! Außerdem ist jetzt weder der Ort noch die Zeit … «
» Was willst du eigentlich? « , fiel er ihr ins Wort.
Sie atmete tief durch. » Ich wollte dir nur sagen, dass ich die nächsten Tage im Ausland bin. «
» Fein, dann wünsche ich dir einen schönen Urlaub. «
Na klar! » Ich bin nicht im Urlaub. «
» Dann eben eine schöne Zeit, wo immer du bist. «
» Ebenfalls. «
Sie legte auf.
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