Herzgrab: Thriller (German Edition)
abgestellt. Direktor Franco Citti hatte das Paket kurz darauf mit einem Begleitschreiben Salvatore Del Vecchios gefunden. So viel hatte ihr die Leiterin der Wiener Niederlassung von Rinaldi’s erzählt – und etwas daran hatte nicht sehr glaubwürdig geklungen.
Als sie zur Rückseite des Museums ging, sah sie, wie abgeschieden das Gebäude lag. Ein etwa fünfzig Zentimeter breiter Spalt zwischen dem Museum und dem Glockenturm, über den das Vordach des Gebäudes ragte, musste wohl jener Ort gewesen sein, an dem das Gemälde abgestellt worden war. Plötzlich wehte ein entsetzlicher Geruch herüber. Nur wenige Meter entfernt befand sich ein Wasserloch zwischen den Büschen. Halb im Wasser lag ein bestimmt seit mehreren Wochen toter Esel. Sein graues Fell war verfilzt, der Körper eingefallen und bildete bereits Nistplätze Hunderter Insekten. Die Wasserbrühe stank widerlich. Elena wandte sich rasch ab. Mit einem Mal wusste sie, was sie an Hödels Erzählung gestört hatte.
Was hatte Citti ausgerechnet zum Hintereingang geführt? Bestimmt nicht der tote Esel. Und woher wollte er wissen, dass die Unbekannten das Bild kurz vor seiner Ankunft hergebracht hatten? Warum nicht zwei oder drei Stunden vorher? Demnach musste er zumindest den Lieferwagen gesehen haben. Womöglich war ihm das Auto auf dem schmalen Hügelweg entgegengekommen. Oder er hatte einen Hinweis bekommen. Aber von wem? Sie musste unbedingt mit Citti sprechen.
Elena rüttelte an der Holztür, die ebenfalls abgesperrt war. Warum nur mit einem einfach Schloss? Sogar mit der Haarnadel ihrer Großmutter hätte sie es knacken können. Elena zog ihr Pick-Set aus der Gesäßtasche und schob den schlanken Dietrich an der Schablone für den Schlüsselbart vorbei. Zum Glück war der Mechanismus genauso vorsintflutlich wie das Gebäude selbst. Der Dietrich verschob den Riegel, und die Hintertür sprang auf.
Mit einer raschen Bewegung schlüpfte Elena ins Museum.
29
Unmittelbar nach dem Ende der nächsten eBay-Versteigerung klappte Scatozza den Laptop zornig zu. Sie verließen das Kaffeehaus und kehrten in ihre Luxussuite in der Casa delle Rose zurück.
Gerink stand auf dem Balkon und starrte auf das Handy. Keine Antwort von Elena.
Indessen verteilte Scatozza die Protokolle der Zeugeneinvernahmen auf dem Bett. » Wer immer mir diese Serviette zukommen ließ, hat sich vielleicht nachts in unser Zimmer geschlichen. «
Gerink schüttelte den Kopf. » Niemand war in unserem Zimmer « , stellte er fest. » Ich war die ganze Zeit wach – außerdem hätte sich bei deinem Schnarchen sowieso keiner näher als zehn Meter an uns herangewagt. «
» Dann hat mir jemand die Nachricht entweder auf der Wachstube der Carabinieri oder auf dem Grundstück der Del Vecchios zugesteckt. «
Gerink tippte auf einen Carabiniere. Falls die Florentiner Polizei tatsächlich etwas zu verbergen hatte, gab es möglicherweise eine undichte Stelle – jemanden, der einen korrupten Kollegen ans Messer liefern wollte. Ab und zu kam es auch in Italien vor, dass der Schulterschluss nicht funktionierte und jemand seine Kameraden nicht länger decken wollte. Mit etwas Glück hatte so jemand Kontakt zu ihnen aufgenommen. Aber wer? Vito Tassini ? Der bestimmt nicht.
Scatozza verglich die Handschrift auf der Serviette mit den Unterschriften der Zeugenprotokolle und warf eine Akte nach der anderen auf den Stapel.
Da läutete Gerinks Handy. Elena hatte geantwortet. Er rief die SMS ab. Unser Gespräch von vorhin tut mir auch leid. Ich ruf dich in einer freien Minute an. Bis auf das missglückte Telefonat an diesem Morgen war es das erste Mal seit Tagen, dass sie auf einen seiner Kontaktversuche antwortete. Er tippte eine Antwort. Okay, ich erwarte deinen Anruf. Du fehlst mir. Nein, er durfte sie jetzt nicht mit seinen Gefühlen überfahren. Er löschte den letzten Satz und schickte die Nachricht ab. Anschließend spähte er zu seinem Partner. » Hast du schon was gefunden? «
» Du könntest mir helfen! «
» Ich glaube nicht, dass wir deinen heimlichen Verehrer unter den Familienmitgliedern der Del Vecchios finden. «
» Irrtum, Freundchen! « Scatozza schwenkte ein Protokoll in der Luft. » Es ist eine Verehrerin ! «
Gerink steckte das Handy weg und kam zum Bett. Er verglich die Handschrift auf der Serviette mit der Unterschrift auf der Zeugenaussage. Um die Ähnlichkeit der Schlingen zu erkennen, war kein grafologisches Gutachten nötig.
» Nicola Del Vecchio « , murmelte Gerink. » Die
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