Herzgrab: Thriller (German Edition)
Handynummer. Diese Mistkerle! Vito schielte zum Mobiltelefon in der Halterung des Pajeros. Damit ließe sich herausfinden, wen die beiden wann angerufen hatten. Er öffnete die Autotür noch einmal, fingerte das Handy aus der Vorrichtung und ließ es in der Hosentasche verschwinden. Leise drückte er die Tür zu.
Ein schlechtes Gewissen hatte Vito noch nie gehabt. Außerdem hätte jeder beliebige Dieb, der durch den Wald streifte, Handy und Notizbuch klauen können. Die beiden würden nicht vermuten, dass ein Carabiniere dahintersteckte. Der Maresciallo würde stolz auf ihn sein und vielleicht eine Prämie rausrücken.
Rasch lief Vito zum Eisengatter und hastete den Hügel hinunter. Er hielt sich ebenso wie die beiden am Rand des Mohnfeldes, um sich rechtzeitig darin verbergen zu können, falls einer der Homos auf die Idee kam, sich umzudrehen. Doch das passierte nicht. Sie waren mit sich selbst beschäftigt und hatten nur ein Ziel vor Augen: die Del-Vecchio-Villa.
Bald standen sie vor dem mit Weinranken verschlungenen Torbogen und hantierten am Schloss des ehemaligen Lieferanteneingangs. Es war unglaublich! Die beiden drangen tatsächlich in das Haus ein. Im Geiste notierte er Vergehen Nummer zwei !
Vito würde ihnen nur noch ein kleines Stück folgen, um zu sehen, wohin sie wollten und ob sie den Mumm besaßen, in die Schlafräume einzudringen. Das wäre Vergehen Nummer drei gewesen. Danach würde er den Rückzug antreten. Für heute hatte er genug erfahren.
Nachdem er die Villa ebenfalls betreten hatte, blickte er sich um. Die beiden Mistkerle waren ihm tatsächlich entwischt. Vito lauschte. Nichts! Es gab zwei Möglichkeiten. Entweder waren sie noch im Haus oder an der Küche vorbeigeschlichen, zum breiten Treppenaufgang und Vorplatz ins Freie, wo Schwimmbecken, Glashaus, Kapelle und Familiengruft lagen. Vito entschied sich für Letzteres. Er ging durch das Gebäude, stahl sich durch den von Weinreben überwucherten Torbogen und gelangte zu der dunklen Allee aus Zypressen. Von seinem letzten offiziellen Besuch bei den Del Vecchios wusste er, dass am Ende der Allee die kleine Kapelle, die Familiengruft und das Gebäude der Angestellten lagen. Er blickte auf die Uhr. Kurz vor elf Uhr. Bald würden die Glocken in San Michele läuten. Im Haupthaus brannten nur wenige Lichter. Bis auf das Zirpen einiger Grillen und das Glucksen des Springbrunnens war alles ruhig. Vito fand die Situation unheimlich. Sollte er nicht lieber sofort von hier verschwinden, bevor sie ihn erwischten?
Da zuckte er zusammen. Unmittelbar neben ihm kläffte ein Hund. Mit rasendem Herzen fuhr er herum. Doch da war nichts. Nun kam das Knurren wieder von der Seite. Er fuhr wieder herum. Nichts!
Maledetto, das Handy!
Er riss es aus der Hosentasche. Das Display leuchtete. Unbekannter Anrufer. Er versuchte, es auszuschalten, doch die Tastensperre war aktiv. Die Idioten hatten ein Hundekläffen als Klingelton installiert!
In diesem Moment begriff er, dass er ihnen auf den Leim gegangen war.
Als er echtes Hundebellen in der Nähe hörte, geriet er in Panik und warf das Handy zwischen die Weinstöcke. Er machte auf der Stelle kehrt, rannte zurück zum Vorplatz, über die Treppe, durchs Haus zum Hinterausgang. Wenn er die Beine in die Hand nahm und den Weg zum Wald hinaufrannte, würden ihn die Köter der Del Vecchios nicht erwischen, da sie zuvor bestimmt das Handy zerbeißen würden.
Im Haus war es immer noch still. Vito erreichte den ehemaligen Lieferanteneingang. Er wollte die Tür aufziehen, aber sie ließ sich nicht öffnen. Er zerrte an der Klinke. Jemand musste den Eingang hinter ihm abgesperrt haben. Er wusste auch, wer …
Als er sich umdrehte, um in eine andere Richtung zu laufen, ging das Licht an, und er sah die beiden Pitbull Terrier durch den Gang auf sich zurasen.
38
Elena wusste nicht viel über Siena, bloß dass die ehemalige etrus kische Stadt irgendwann einmal unter die Herrschaft der Römer gefallen war. Sonst kannte sie nur die Fernsehübertragung vom alljährlichen Pferderennen auf der Piazza del Campo. Ihr waren die letzten Bilder von den Tausenden Menschen noch gut in Erinnerung, die sich auf dem Platz drängten, um die Rösser anzufeuern. Dieses Ereignis war spektakulärer als jeder Stierkampf, aber leider auch brutaler, da sich dabei jedes Jahr einige Pferde die Beine brachen. Und Menschen, die Tiere quälten, konnte Elena schon aus Prinzip nicht leiden.
In dieser Nacht waren aber nur wenige Leute auf den
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