Herzhämmern
Teufelshöhle abholte. Ich glaube auch, vier Typen darin gezählt zu haben. Jedenfalls passt das Gefährt hundertprozentig zu den Erdferkeln.
Ob Shelley der Anführer ist? Er ist der ruhigste von den vieren. Das scheint mir eine gute Eigenschaft für einen Anführer zu sein. Trotzdem tippe ich eher auf Ecke. Er sieht zwar jünger aus, hat aber etwas Bestimmendes und ist sehr lebhaft.
Während von Alex überhaupt nichts Bestimmendes ausgeht. Er scheint sich ständig zu verteidigen. Gegen Vorwürfe, Spott, ich weiß nicht, was.
Bonni, der Einzige mit langen Haaren, ist viel jünger als die anderen. Trotzdem passt er auf seltsame Weise dazu. Er ist immer in Bewegung. Er schüttelt die Haare oder redet mit den Händen oder neigt sich über den Tisch, um Ecke etwas zuzuflüstern. Einmal treffen sich unsere Augen. Als ich Sekunden später wieder hinschiele, ist sein Gesicht röter als zuvor.
Da erst spüre ich das Brennen unter meiner eigenen Haut; Bonni hat mir schon gefallen, als er für mich noch ein Mädchen war. Ich suche nach Anzeichen vorgerückten Alters und rede mir ein, dass jemand mit heller Stimme und null Bart und einem zarten Mädchengesicht trotzdem schon fünfzehn sein kann. Ich wünsche mir dringend, dass er fünfzehn sein soll. Das würde so gut zu mir passen.
Eine halbe Stunde später weiß ich es besser. Wir sitzen uns in der dunklen Kutsche gegenüber und Bonni ist erst dreizehn.
»Hallo, Erdferkel«, habe ich ihn begrüßt.
»Hallo, Feuerkopf«, hat er zurückgeschossen.
Dagegen konnte ich nichts einwenden, denn Bonni meinte sicher die prächtige Farbe meiner Haare - unter der Lampe in der Gaststube muss mein Kopf wie ein Kaminfeuer geleuchtet haben.
Obwohl Bonni erst dreizehn ist, wirkt er älter als die Jungen in meiner Gruppe. Und man kann gut mit ihm reden. Dass Ecke sein Bruder ist, weiß ich bereits. Außerdem dass Ecke und Shelley dicke Freunde sind. Und dass Alex zum ersten Mal mit von der Partie war. »Bestimmt auch zum letzten Mal«, hat Bonni gemeint.
Alex und Shelley sind achtzehn. Ecke ist siebzehn, aber der geborene Anführer, findet Bonni, und als Bruder sei er ganz in Ordnung. Wen Bonni bewundert, das ist Shelley; Shelley sei ein cooler Typ und gleichzeitig unheimlich erwachsen.
»Ist er Engländer?«, will ich wissen.
»Wieso Engländer?«
»Wegen seines Namens.«
»Nein, das ist die Abkürzung von Schellenberger.«
»Oh …!« Schon wieder ein Fehlschluss von mir. Der grandioseste war ja, Bonni für ein Mädchen zu halten. Das sage ich ihm besser nicht, man weiß ja, wie Jungs sind - es ist ihnen total peinlich, wenn man sie mit Mädchen verwechselt. Wenn wir so wären! Ich zum Beispiel gäbe was dafür, wenn jemand sagen würde: Die klettert wie ein Junge, die schwimmt und springt wie ein Junge. Aber das wird nie jemand sagen, denn ich traue mich leider nicht, vom Dreimeterbrett zu springen, ich behaupte, dass ich eine Chlorallergie habe und wahnsinnige Kopfschmerzen kriege, wenn ich unter Wasser gerate. Einmal hat mich jemand vom Startblock gestoßen, obwohl ich nicht hatte springen wollen. Den habe ich hinterher zur Schnecke gemacht, er war ganz klein, als ich mit ihm fertig war; nach einer Panik habe ich immer einen ungeheuren Adrenalinschub. In Not und Stress produziert der Körper Adrenalin, um sich bis aufs Letzte zur Wehr zu setzen, das ist nicht unpraktisch.
Im Schein der Hoflampe kann ich schwach Bonnis Umriss erkennen. Er sitzt mir gegenüber im anderen Winkel der Kutsche, die Beine auf der Bank und genau wie ich die Arme um die Knie geschlungen.
Schellenberger, wie banal. Für mich bleibt das jedenfalls Shelley. »Wie kommst du auf Bonni, von Bonnenberger?«
»Nö«, knurrt Bonni. »Frag mich niemals nach meinem ganzen Vornamen.«
Ich murmle: »Bo… Bon… Bonifa…«
»Krrr!« Er springt auf und die alte Kutsche wackelt.
»Bin schon still«, sage ich sanft.
Bonni plumpst zurück und gibt seiner Stimme eine drohende Tiefe. »Ich rate dir, meinen Bruder niemals zu fragen, wovon Ecke kommt!«
Ich schweige gehorsam.
»Meine Eltern haben eine Macke, sie schwören auf germanische Vornamen. Meine Schwester heißt Irmingard. Irmi, wenn du sie fragst.« Er kichert böse.
»Warum ist sie nicht mitgekommen?«
»Was, Irmi? Die ist doch ein Mädchen!«
Aha. Ich spüre, wie ich ganz ohne Panik Adrenalin produziere. »Und warum, bitte schön, soll ein Mädchen nicht in ein Loch kriechen?«
Sekundenlang höre ich nur unseren Atem. Dann antwortet Bonni:
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