Schule musste zwei Stunden lang im Bus warten, weil Rashmi vergessen hatte, um welche Zeit wir uns treffen sollten«, spottet er.
»Das waren keine zwei Stunden …«
Meredith erzählt weiter. »Am Ende hat Professeur Hansen sie hinter irgendwelchen Büschen im Barockgarten aufgespürt und ihr ganzer Hals war von Bissspuren bedeckt.«
»Bissspuren!« St. Clair schnaubt verächtlich.
Rashmi schäumt vor Wut. »Sei bloß still, englische Zunge!«
»Häh?«
»Englische Zunge«, wiederholt sie. »So haben wir dich alle nach deiner und Ellies atemberaubender Vorstellung auf dem Straßenfest letztes Frühjahr genannt.« St. Clair versucht zu protestieren, aber er lacht zu heftig. Meredith und Rashmi ziehen sich noch eine Weile gegenseitig auf, aber … ich komme mir mal wieder überflüssig vor. Ob Matt nun wohl besser küsst, jetzt wo er jemanden mit mehr Erfahrung hat, mit dem er üben kann? Wahrscheinlich hat er nur meinetwegen schlecht geküsst.
O nein.
Ich küsse schlecht. So muss es sein, ganz bestimmt.
Eines Tages wird man mir einen Preis verleihen, der wie ein Kussmund geformt ist und auf dem die Worte »schlechteste Küsserin der Welt« eingraviert sind. Und Matt wird eine Rede darüber halten, dass er nur mit mir gegangen ist, weil er es so bitter nötig hatte, aber ich ihn nicht rangelassen habe, und es deshalb Zeitverschwendung war, weil ihn Cherrie Milliken schon die ganze Zeit mochte und sie jeden ranlässt. Alle wissen das.
Oje. Findet Toph, dass ich schlecht küsse?
Es ist nur einmal vorgekommen. Mein letzter Abend im Kino war auch der letzte Abend vor meiner Abreise nach Frankreich. Es war nicht viel los und wir waren schon fast den ganzen Abend allein im Foyer. Vielleicht lag es daran, dass es meine letzte Schicht war oder dass wir uns vier Monate nicht sehen würden oder dass es uns wie unsere letzte Chance vorkam – was auch immer der Grund war, wir waren unbekümmert. Wir waren mutig. Das Flirten nahm den ganzen Abend über zu, und als man uns sagte, wir sollten nach Hause gehen, konnten wir einfach nicht, sondern zogen das Gespräch in die Länge.
Und dann, zum Schluss, sagte er, dass er mich vermissen würde.
Und dann, zum Schluss, küsste er mich unter der surrenden Leuchtreklame am Kinoeingang.
Und dann ging ich.
»Anna? Ist alles in Ordnung?«, fragt mich jemand.
Alle am Tisch starren mich an.
Bloß nicht heulen. Bloß nicht heulen. Bloß nicht heulen. »Ähm, wo sind denn hier die Toiletten?« Mit einem Toilettenbesuch kann man sich in jeder beliebigen Situation rausreden. Wenn man das Wort einmal gesagt hat, fragt niemand weiter nach.
»Ein Stück weiter hinten im Gang.« St. Clair macht ein besorgtes Gesicht, traut sich aber auch nicht nachzufragen. Wahrscheinlich hat er Angst, ich könnte ihm etwas über die Saugfähigkeit von Tampons erzählen oder das gefürchtete Wort mit P aussprechen.
Den Rest des Mittagessens verbringe ich in einer Toilettenkabine. Ich sehne mich so sehr nach Zuhause, dass es körperlich wehtut. In meinem Kopf pocht es, mein Magen will sich umdrehen und es ist alles so ungerecht. Schließlich habe ich nie darum gebeten, hier hergeschickt zu werden. Ich hatte meine eigenen Freunde und meine eigenen Insiderwitze und meine eigenen geraubten Küsse. Hätten mir meine Eltern doch nur die Wahl gelassen: »Möchtest du dein Abschlussjahr lieber in Atlanta oder in Paris verbringen?«
Wer weiß? Vielleicht hätte ich mich ja für Paris entschieden.
Daran hatten meine Eltern bei der ganzen Geschichte nicht gedacht: dass ich einfach nur eine Wahl haben wollte.
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Kapitel fünf
An: Anna Oliphant ‹
[email protected]›
Von: Bridgette Saunderwick ‹
[email protected]›
Betreff: Sieh jetzt nicht nach, aber …
… die rechte untere Ecke von deinem Laken ist rausgerutscht. Ha! Du hast doch nachgesehen. Und jetzt hör auf, nicht vorhandene Falten glatt zu streichen. Im Ernst. Wie ist es so in Le Académie fronzösisch? Irgendwelche heißen Typen, von denen ich wissen sollte? Und wo wir gerade davon sprechen, rate mal, wer in meinem Mathekurs ist? Drew! Er hat sich die Haare schwarz gefärbt und trägt jetzt einen Lippenring. Und er ist absolut kallipygisch (schlag es nach, du faules Stück). Ich saß beim Mittagessen mit den üblichen Verdächtigen zusammen, aber ohne dich war es anders als sonst. Und dann tauchte auch noch die bescheuerte Cherrie auf. Sie hat die ganze Zeit ihre Haare zurückgeworfen, und ich schwöre, ich habe