Herzklopfen auf Französisch - Perkins, S: Herzklopfen auf Französisch
könnte.
»Gehst du heute Abend wieder ins Kino?« Dave guckt auf meine Seitenzahl und schlägt in seinem französischen Lehrbuch das Kapitel über Familie auf. Wie üblich haben wir uns für eine Konversationsübung zusammengetan.
»Yep. The Texas Chain Saw Massacre . Um in Ferienstimmung zu kommen, weißt du.« Halloween ist dieses Wochenende, aber ich habe hier keine Dekorationen gesehen. Das muss etwas rein Amerikanisches sein.
»Das Original oder das Remake?« Professeur Gillet schreitet gerade an unserem Tisch vorbei und Dave fügt eilig hinzu: » Je te présente ma famille. Jean-Pierre est … l’oncle .«
»Ähm. Was?«
» Quoi «, korrigiert mich Professeur Gillet. Ich rechne damit, dass sie stehen bleibt, aber sie geht weiter. Uff.
»Das Original natürlich.« Aber ich bin beeindruckt, dass er überhaupt weiß, dass das Remake kein Original ist.
»Witzig, ich hätte dich nicht für einen Horrorfan gehalten.«
»Wieso nicht?« Ich ärgere mich über das, was er vermutlich eigentlich damit sagen will. »Ich weiß jeden gut gemachten Film zu schätzen.«
»Schon, aber die meisten Mädchen sind ziemlich empfindlich bei so was.«
»Was soll das wieder heißen?« Meine Stimme wird lauter und Madame Guillotine hebt auf der anderen Seite des Raumes ruckartig den Kopf. » Marc est mon … frère «, sage ich mit Blick auf das erste französische Wort, das ich sehe. Marc ist mein Bruder. Ups. Sorry, Sean.
Dave kratzt sich an der mit Sommersprossen übersäten Nase. »Du weißt schon. Tussis, die mit ihrem Freund in einen Horrorfilm gehen wollen, damit sie Angst kriegen und sich an ihn kuscheln können.«
Ich stöhne genervt auf. »O bitte. Ich habe schon genauso viele ängstliche Jungs erlebt, die nach dem halben Film aufstehen und gehen, wie Mädchen …«
»Und dein wievielter Film ist das diese Woche, Oliphant? Der vierte? Der fünfte?«
In Wahrheit ist es schon der sechste. Am Sonntag habe ich zwei gesehen. Ich habe mir eine Routine angewöhnt: Schule, Hausaufgaben, Abendessen, Kino. So arbeite ich mich langsam durch die Stadt vor, Kino für Kino.
Aber ich will ihm das nicht auf die Nase binden und zucke nur mit den Schultern.
»Wann fragst du mich endlich, ob ich mitkommen möchte, hm? Vielleicht mag ich ja auch Gruselfilme.«
Ich tue so, als würde ich mir den Familienstammbaum im Lehrbuch ansehen. So einen Wink hat er mir schon öfter gegeben. Und Dave ist süß, aber ich mag ihn nicht auf diese Art. Es ist schwer, einen Typen ernst zu nehmen, der immer noch mit dem Stuhl kippelt, nur um die Lehrerin zu ärgern.
»Vielleicht geh ich ja gern allein. Vielleicht hab ich so Zeit, um über meine Kritiken nachzudenken.« Das stimmt sogar, aber ich behalte lieber für mich, dass ich normalerweise nicht allein gehe. Manchmal kommt Meredith mit, manchmal Rashmi und Josh. Und ja, manchmal auch St. Clair.
»Ach ja, deine Kritiken.« Er zieht meinen Ringbuchblock unter dem Französisch I hervor.
»Hey! Gib den zurück!«
»Wie heißt deine Website noch mal?« Dave blättert die Seiten um, während ich vergeblich nach dem Block greife. Ich mache mir keine Notizen während eines Films, sondern warte lieber, bis ich Zeit hatte, darüber nachzudenken. Allerdings bringe ich nach dem Film gern flüchtig meinen ersten Eindruck zu Papier.
»Als ob ich dir das verraten würde. Los, gib her.«
»Warum machst du das eigentlich? Warum gehst du nicht einfach zum Spaß ins Kino wie normale Menschen?«
»Für mich ist es Spaß. Und ich habe dir schon mal gesagt, es ist eine gute Übung. Außerdem bekomme ich solche Klassiker zu Hause in Atlanta nicht auf großer Leinwand zu sehen.« Ganz zu schweigen davon, dass ich sie nicht in solch herrlicher Stille zu sehen bekomme. In Paris redet niemand während eines Films. Wehe demjenigen, der es wagt, einen knusprigen Snack oder eine knisternde Chipstüte mitzubringen.
»Wozu musst du üben? Das ist doch nicht schwer.«
»Ach nein? Ich würde gern sehen, wie du eine Filmkritik mit sechshundert Wörtern schreibst. ›Hat mir gefallen. Der Film war cool. Es gab Explosionen.‹« Ich greife erneut nach meinem Collegeblock, aber er hält ihn sich über den Kopf.
Er lacht. »Fünf Sterne für Explosionen.«
»Gib. Ihn. ZURÜCK !«
Ein Schatten fällt über uns. Madame Guillotine baut sich vor uns auf und wartet, dass wir weitermachen. Der Rest der Klasse starrt uns an. Dave lässt das Ringbuch los und ich weiche zurück.
»Ähm … Très bien, David «, sage
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