Herzklopfen für Anfänger
nickte.
»Ja, ich erinnere mich. Ich habe ihn untersucht.«
Er reichte mir den Hörer. Er roch nach seinem Aftershave. »Wir sehen uns nach dem Mittagessen. Ja?«
Wir sahen uns nicht nach dem Mittagessen, weil er den ganzen Tag lang nicht mehr in meiner Abteilung auftauchte. Das war auch nicht ratsam, weil Ruth ihm sicher an die Gurgel gegangen wäre, wenn sie ihn noch einmal zu Gesicht bekommen hätte.
»Ich fasse es nicht! Dieser Bastard«, sagte sie zu mir, als sie um kurz vor drei in meinen Untersuchungsraum gestürmt kam.
»Ach du lieber Himmel«, entgegnete ich und forderte sie auf sich zu setzen, bevor sie mit ihren aufgebrachten Gesten den Tischventilator von meinem Schreibtisch fegte. »Dann war das Mittagessen also kein Erfolg?«
Ich hatte beschlossen, mich zur Ordnung zu rufen, was meine Gefühle für Nick Brown betraf, und deshalb war ich in der Mittagspause in der Buchhandlung gewesen und hatte ein Buch erstanden: Unendliche Möglichkeiten – Erfüllung in den mittleren Jahren. Ein Führer für die denkende Frau. Ich hatte es im Laden schon durchgeblättert. Es enthielt so ermutigende Kapitel wie »Partnermüde«, »Definieren Sie Ihre Bedürfnisse« und »Die öden Jahre – entzünden Sie das eheliche Feuer aufs Neue.« Es war deprimierend, dass es mir bisher nicht gelungen war. Ich versuchte, einen Ausdruck ängstlicher Besorgnis auf mein Gesicht zu zaubern.
»Das Mittagessen war eine Katastrophe«, grollte Ruth. »Dieser Mistkerl! Und Ruth Preston ist eine dumme Kuh. Gott, Sal, wie konnte ich nur so blöd sein?« Sie zog ein Papiertaschentuch aus meiner Schachtel.
»Was ist denn passiert, Ruth?«
»Er hat sich von mir getrennt, der Schweinehund! Sich von mir getrennt! Einfach so! Ist das zu fassen?«
Ich fand ihre Wortwahl ein bisschen übertrieben, sie waren noch nicht einmal miteinander ausgegangen. Aber vielleicht handelte es sich bei den beiden um eine ultrakurze Affäre, nur Vorspeise und Hauptgang.
»Wie, sich von dir getrennt?«, fragte ich. »Wie meinst du das?«
»Bist du taub?«, schrie sie. »So, wie ich es sage. Gott, ich bin so bescheuert!«
Beruhigend murmelte ich: »Nein, nein, bist du nicht.«
»Doch, bin ich wohl. Zweiunddreißig Jahre alt und nichts dazugelernt. Ich bin eine hirnlose, blöde, libidinöse Idiotin!« Sie zupfte eine ganze Handvoll Papiertaschentücher aus der Box und trompetete ausgiebig hinein.
»Nein, bist du nicht«, sagte ich noch einmal, schob den Refraktorkopf aus ihrer Reichweite und dachte dabei, wie gemein das Wort »libidinös« doch klang. War das vielleicht mein Problem? War ich nur libidinös? Ich musste einmal in meinem neu erworbenen Buch nachsehen. »Ruth, ich weiß ja, er ist nett und so …«
»Nein, ist er nicht. Er ist ein schleimiger Mistkerl.«
»Und ich weiß, du magst – mochtest, aber war er wirklich der richtige Mann für dich? Ich meine, du bist schließlich erst zweiunddreißig, du hast doch alles noch vor dir.«
Ihr traten fast die Augen aus dem Kopf.
»Was?«, schrie sie. »Nicht getrennt im Sinn von sitzen lassen, du dumme Gans. Ha! Das hätte mir passieren sollen! Nein, er hat mich rausgeworfen! Entlassen. Comprenez-vous? Rausgeworfen. Von wegen ich mag ihn. Er ist ein Arschloch. Und dazu noch ein hinterhältiges Arschloch!«
Ich blinzelte. »Was? Du machst Witze.«
»Ich mache keine Witze, Sal, über so ernste Dinge mache ich keine Witze. Ich mache mich doch nicht darüber lustig, dass ich meinen Job verloren habe.«
Jetzt blickte ich sie ernsthaft besorgt an. »Aber warum? Wie? Aus welchem Grund? Wann?«
Sie spreizte die Hände und ließ sie dann in ihren Schoß sinken. In ihrem hübschen Kleid sah sie jung und verletzlich aus. »Weil mein Job in Zukunft von einem Computer erledigt wird.« Sie warf den Kopf zurück und lachte humorlos. »Das ist so ein blödes Klischee, dass es beinahe zum Lachen wäre, wenn es sich dabei nicht um mich handeln würde. Rationalisierung. Das ist das Wort, das er benutzt hat. Rationalisierung, sobald Drug-U-Like sein Erfassungssystem installiert hat. Leute wie mich brauchen sie dann nicht mehr in den Filialen. Alles wird zentral gesteuert. Von Maschinen. Ticktack. Und aus Callcentern, was im Grunde aufs Gleiche hinausläuft.«
»Aber sie können dich doch nicht einfach entlassen, oder? Nicht einfach so.«
»Oh doch, ich glaube schon. Aber es würde natürlich keinen guten Eindruck machen, wenn sie es täten. Deshalb hat er mir einen anderen Job angeboten.«
Ein
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