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Herzklopfen für Anfänger

Herzklopfen für Anfänger

Titel: Herzklopfen für Anfänger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lynne Barrett-Lee
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Hoffnungsschimmer also. »Und welchen?«
    »Kontaktlinsen austeilen in West Worthing«, stieß sie hervor. »Ehrlich, ich würde lieber tot umfallen.«
    Am Ende sah er mich doch.
    Ich stand auf dem Personalparkplatz, hatte der immer noch tränenüberströmten Ruth nachgewinkt und kramte gerade in meiner Tasche nach dem Autoschlüssel.
    »Sally«, rief er. Er stand im Schatten, ein paar Wagen weiter. Ich räumte meine Sachen auf den Rücksitz, als er auf mich zutrat. »Ist mit Ruth alles in Ordnung?«, fragte er. Ein Handy hing mit einem Clip an seiner Hemdbrust. »Sie hat das Gespräch nicht so gut aufgenommen.«
    »Nein und nein«, antwortete ich. Ein Teil meines Ärgers resultierte aus der Feststellung, dass er so eine starke Wirkung auf mich hatte, obwohl er gerade meine beste Freundin entlassen hatte. Ich blickte zu seinem Auto. Ein Mercedes. Vermutlich ein Geschäftswagen. Er wurde offensichtlich gut dafür bezahlt, dass er Leute auf die Straße setzte. »Und das überrascht mich nicht, ehrlich gesagt. Ich meine, sie hatte keine Ahnung. Du hättest sie wenigstens vorwarnen können, oder?« Ich fragte mich, ob ihm bewusst war, mit welchen Erwartungen sie zu dem Essen gegangen war. Wahrscheinlich nicht. »Es kommt schließlich nicht jeden Tag vor«, fuhr ich fort, »dass man nichts ahnend zur Arbeit kommt und dann gefeuert wird.«
    »Entlassen? Seit wann denn entlassen?« Er blickte mich ehrlich überrascht an.
    Ich zog die Augenbrauen hoch. »Stimmt das etwa nicht? Vom Prinzip her? Stimmt das etwa nicht? Ihr könnt es in noch so viele schöne Worte kleiden, letztendlich hat sie doch ihren Job verloren. Und meiner Meinung nach läuft das aufs Gleiche raus.«
    Er machte den Mund auf, als wolle er mir widersprechen, besann sich aber dann eines Besseren. »Hör zu«, sagte er und fuhr sich mit der Hand durch die Haare.
    Er sah auch müde aus, dachte ich. Vielleicht sollten wir unsere neuesten Heilmittel gegen Schlaflosigkeit austauschen. Oder vielleicht auch nicht. Er hatte es verdient, nicht zu schlafen.
    »Ich sollte eigentlich nicht mit dir darüber reden. Es tut mir leid. Ich hätte es gar nicht erwähnen sollen. Ich habe mir nur Sorgen gemacht, weil ich eigentlich nicht damit gerechnet hatte, dass Ruth so negativ reagiert.«
    »So negativ? Sollte sie auf den Tisch springen und vor Begeisterung schreien: ›Juhu, ich habe meinen Job verloren?‹« Ich holte tief Luft, damit mein Temperament nicht mit mir durchging. Dann fuhr ich fort: »Musste es unbedingt Worthing sein? Sie lebt in Godstone, um Himmels willen!«
    Ich war müde. Ich hatte kein Mittagessen gehabt, und vor allem war ich frustriert, weil ich mich nicht in der Lage sah, mich mit ihm zu unterhalten, ohne ihn anzuspringen. Obwohl ich stinksauer auf ihn war. Wie konnte das sein? War ich krank?
    Ich verschränkte die Arme und warf ihm einen finsteren Blick zu.
    »Sally«, sagte er. »Ich will nicht mit dir darüber diskutieren, aber so einfach ist das alles nicht. Wir müssen personelle Veränderungen vornehmen, und im Moment bin ich eben derjenige, der sie veranlassen muss. Ich dachte, bei Ruth hätten wir eine gute Entscheidung getroffen – sie ist ein nettes Mädchen. Wir wollen ihr etwas anbieten, das ihren Fähigkeiten entspricht. Wenn sie das als negativ empfindet, dann kann ich es nicht ändern. Ich leite die Firma nicht.«
    Fast hätte ich gesagt: »Ach ja? Und welche Fähigkeiten sollen das sein?« Aber ich hielt mich zurück. Er sah aufrichtig besorgt aus, und ich war auf einmal bedrückt. Es war bestimmt auch für ihn kein Highlight, Leute aus Jobs befördern zu müssen, die sie in ihrer Naivität für die Ewigkeit gepachtet zu haben glaubten. Ebenso wenig, wie es mir Spaß machte, den Leuten sagen zu müssen, dass sie ihr Augenlicht verloren.
    Aber trotzdem, war es notwendig? War es ein Fortschritt? Wie lange würde es dauern, bis jemand wie ich durch ein Computerprogramm ersetzt wurde? Bis die Patienten von einem Automaten untersucht wurden? Vielleicht mussten sie in Zukunft ihre Augen herausnehmen und per Post zur Untersuchung schicken. Ich wünschte, er würde mich nicht so ernst ansehen. Am liebsten wäre ich in seine Arme gesunken und hätte an seiner Brust gestöhnt. Ich durfte wirklich während der Woche keinen Alkohol mehr trinken.
    »Dann bin ich wohl als Nächste dran, was?«, fuhr ich ihn an.
    Er hob den Arm und ließ ihn wieder sinken. »Komm«, sagte er. »Du weißt doch, dass du einen sicheren Job hast.«
    Ich stieg ins Auto.

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