Herzklopfen für Anfänger
schaltete ich es aus und stellte es wieder ins Ladegerät, bevor mein Verlangen, mit ihm zu sprechen, so groß wurde, dass ich sämtliche Hemmungen über Bord warf.
Wie ging es mir? Ich war im Stillen unglücklich. Immer noch im Stillen unglücklich.
Müde ging ich wieder nach oben ins Gästezimmer.
Kate hat recht, dachte ich. Ich war wirklich ein Fußabtreter. Ich war sozusagen der Prototyp des Fußabtreters. Die Entdeckung war ein Schock für mich. Ich hatte mir noch nie Gedanken darüber gemacht. Aber ich war gut in Kompromissen, oder nicht? Einfach gut im Verhandeln. Ich sorgte gern für andere. Ich war ein Vorbild und besaß all die guten Eigenschaften, über die Psychologen so enthusiastisch reden. Jemand, der sich um andere kümmert. Kein Fußabtreter. Ein Kümmerer.
Und doch hatte Kate recht. Ich verbrachte so viel Zeit mit Gedanken daran, wie es anderen ging, dass ich die Fähigkeit verloren hatte, mich um meine eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Und nicht nur das, stellte ich alarmiert fest, mein gesamtes Bild von mir als wertvollem menschlichen Wesen basierte auf genau diesen Eigenschaften. Ich erkannte meine eigenen Bedürfnisse überhaupt nicht an. Ich oder Nein waren Wörter, die nicht zu meinem Wortschatz gehörten. Weil ich nicht wollte, dass irgendjemand mich nicht mochte. So einfach war das. Und so erschreckend. Ich war schließlich nicht Mutter Teresa.
Aber wenn ich mir selbst leidtat, war auch nichts gewonnen. Ich verließ das Bett im Gästezimmer und ging wieder in mein eigenes. Ich hob die Decke und schlüpfte darunter. Das war mein Bett, und darin musste ich liegen.
Ich lag bis zwanzig vor sieben darin, aber um diese Zeit war Jonathan bereits unten. Ich holte tief Luft, bevor ich in die Küche ging. Das Problem mit abendlichen Streitereien ist, dass sie über Nacht nicht verschwinden, sondern wie Hefeteig gären und sich aufplustern.
Zu meiner Verblüffung saß Jonathan jedoch nicht mit einem Gesicht wie eine Bulldogge wartend da, sondern las friedlich den Sportteil der Zeitung. Es war, als wollte er mich durch seine Strategie entwaffnen, anstatt auf seinem Status als Familienoberhaupt zu beharren.
»Ich habe einen Entschluss getroffen«, verkündete er ernst, aber nicht aggressiv. »Wann schreibt Kate die letzte Klassenarbeit?«
Ich blickte ihn an und versuchte zu ergründen, welche Taktik er gerade anwandte. Fragend zog er die Augenbrauen hoch, und ich fragte mich angstvoll, wie viel von meinem inneren Aufruhr er wohl mitbekam.
»Am Freitag«, erwiderte ich. »Sie schreibt am Freitag die letzte Klassenarbeit.«
»Gut«, sagte er und nickte nachdenklich. »Hervorragend. Dann klappt das ja.«
Ich ging zur Teekanne. »Was klappt?«
Lächelnd blickte er mich an. »Ich habe beschlossen, dass sie nächste Woche mit mir nach Malta kommen kann.«
»Malta? Mit dir? Zu deinem Kongress?«
Er nickte.
»Du hast ganz recht«, fuhr er fort. »Sie und ich, wir haben im Moment beide einen Dickkopf.« Er hob die Hand, damit ich ihn nicht unterbrach. »Meine Schuld«, sagte er. »Ich hatte in der letzten Zeit sehr viel zu tun, und ich glaube, ich muss mich wirklich mehr um sie kümmern. Ich muss mehr Zeit mit meiner Tochter verbringen, findest du nicht auch?«
Ja, ehrlich gesagt dachte ich das auch. Aber ich sagte es nicht. Flüchtig fragte ich mich, ob er vielleicht gestern Abend gar nicht weggefahren war und uns aus der Garage belauscht hatte. Aber nein. Ich hatte ja die Autoreifen auf dem Kies knirschen hören. Nein. Er hatte einfach nur nachgedacht. Wie ich.
»Na ja, wir kommen einfach nicht miteinander aus, richtig?«, sagte er in einem Tonfall, der mir das Gefühl gab, ich sei daran schuld.
War es tatsächlich meine Schuld? Ich war so daran gewöhnt, mit Kate allein klarzukommen, dass sein plötzliches Interesse mir wie ein Affront vorkam. Was hieß denn: »Ich sollte mich mehr um sie kümmern?« Machte ich meinen Job etwa nicht gut?
Aber er schien meine Gedanken zu lesen. »Es ist allein meine Schuld«, sagte er noch einmal. »Offensichtlich verhalte ich mich völlig falsch. Deshalb denke ich, es ist das Beste, wenn sie mit mir kommt. Ich habe vor ein paar Tagen mit Paul Elliott gesprochen, und er bringt seine Töchter ebenfalls mit. Seine Frau muss die Sommerkurse im College betreuen. Also kann ich Kate auch mitnehmen. Sie versteht sich doch mit den Mädchen. Das wäre eine Chance, ein bisschen Zeit miteinander zu verbringen. Ich glaube, wir waren in der letzten Zeit alle ziemlich
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