Herzkurven
weißes kragenloses Hemd und eine fantastische hellpistazienfarbige Jacke. Heute Abend sah er nicht aus wie ein Serienkiller.
»Tut mir leid, dass ich zu spät komme, ich hatte einen Anruf …« Er sah Danny und verstummte.
Ihre Beine waren unter dem silberblauen Plisseerock ihres Kleides überschlagen und ihre Arme über dem tiefen V-Ausschnitt des Trägerkleides verschränkt. Ein Fuß tanzte wütend in einer glitzernden silbernen Sandale mit Absatz, die so zerbrechlich wirkte wie einer von Aschenputtels Glasschuhen.
Genau wie an dem Tag, als er Danny im hinteren Garten in ihrem kleinen blauen Rock und der Bluse gesehen hatte, war Ross verwirrt. Er konnte nicht entscheiden, was ihn mehr aus der Bahn warf: dass ihre Haare wirklich wieder silbern und blau waren oder wie sie in dem Kleid aussah – so viel er davon eben erkennen konnte. Seine Augen stießen auf sanfte Haut, verletzliche Schultern, einen langen Hals, schlanke Arme und diese schmalen Fesseln. Ross war davon überzeugt, dass der Ausschnitt tief genug war, um fast ihren Nabel zu berühren, und es würde nur einen kleinen Zug an der großen Schleife in ihrem Nacken brauchen, um das Ganze bis auf die Hüfte fallen zu lassen. Ihre bernsteinfarbenen Augen glühten vor Wut, und ihre vollen Lippen bildeten eine gerade Linie. Ross war entrüstet. Was spielte sie eigentlich für ein Spiel? Sich zu kleiden wie ein – er fiel auf einen Ausdruck seiner Mutter zurück – Flittchen? Auf Doc Martens und eine Latzhose war er vorbereitet gewesen – aber nicht auf das. Er war so erschüttert, dass er nicht einmal nach verborgenen Tätowierungen suchte.
Mia umarmte seine Hüfte. »Tante Danny sieht aus wie eine Feenkönigin, nicht, Onkel Ross?«
»Genau, wie etwas direkt aus dem Herrn der Ringe.« Wenn sie glaubte, dass ihre blauen Haare ihr die Party ersparen würden, hatte sie sich geschnitten!
Danny schenkte Ross ein breites, falsches Lächeln. »Was für ein Zufall! Ich habe gerade an die Orks gedacht.«
»Du siehst auch toll aus, Onkel Ross«, sprudelte Mia los.
»So toll ein Serienkiller eben aussehen kann«, murmelte Danny.
Deryl erschien mit einem Tablett voller Teetassen und einem Teller Kekse. »Sie komm’n zu spät«, informierte sie Ross.
Er besaß den Anstand, beschämt zu wirken. »Ich musste noch mit meiner Mutter in den Staaten reden. Sie war aufgebracht.«
»Oh, dann ist es was anderes. Ich bin sicher, sie vermisst Sie.« Deryl stellte das Tablett auf den Couchtisch. »Nehm nich’ an, dass Sie ’ne Tasse Tee woll’n?«
Ross schaute auf die Tassen und bemerkte trocken: »Ein andermal.« Er drehte sich zu Danny um. »Bist du bereit?«
Sie stand auf und schüttelte ihren Rock aus. Der Stoff wirbelte um ihre Hüften und Schenkel, und der Ausschnitt reichte, wie er befürchtet hatte, bis zur Taille. Die schimmernden Stoffstücke bedeckten ihre kleinen Brüste wie Spinnweben.
»Hast du keine Stola?«, erkundigte er sich.
»Nein. Wir nehmen das Auto, und auf der Einladung stand, dass die Party drinnen stattfindet.« Ihre Miene sprach deutlich:
Was ist dein Problem, Fabello?
Selbst Deryl schien zu denken, dass Ross ein unnötiges Tamtam veranstaltete.
Er entschied, dass er Danny so bald wie möglich seine Jacke geben würde. Als er ihr aus dem Raum folgte, fiel ihm auf, dass sie Probleme hatte, in ihren silbrigen Sandalen zu laufen. »Bist du dir sicher, dass du die Stützräder schon hättest abmachen sollen?«
Danny wirbelte herum und stieß mit ihrer Nase gegen seine Brust. Ross fing sie an den Ellbogen auf. »Daneka, sag mir die Wahrheit: Warst du an der Teekanne?« Er knurrte, als sie ihm einen Ellbogen in die Rippen rammte.
»Bring mich nicht dazu, etwas zu tun, das mir Spaß machen würde!«
An der Haustür gab es noch eine Verzögerung, weil Danny aufging, dass sie ihre Tasche vergessen hatte.
»Ich hole sie.« Deryl rauschte davon, während Vanessa wie erstarrt dastand und beobachtete, was auch immer gerade zwischen Ross und Danny abging.
Als Deryl mit der Tasche zurückkam, schob Ross Danny die Stufen nach unten und in sein Auto. »Komm schon, die Leute bei Findlays warten auf uns!«
»Auf dich, meinst du!« Danny winkte den Kindern zu, als sie losfuhren.
»Schon, aber ich kann mir gut vorstellen, wie aufgeregt sie sein werden, wenn sie herausfinden, dass meine Begleitung ein blauhaariger Flüchtling aus Narnia ist.« Ross lenkte das Auto in Richtung der Harbour Bridge. »Hast du vor, den ganzen Abend sauer zu bleiben,
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