Herzlichen Glückwunsch, Sie haben gewonnen!
Zimmer. Als sie die Tür abschließen wollte, hörte sie plötzlich schnelle Schritte, dann eine Stimme: »Oh, Frau Schulze, haben Sie sich etwa im Zimmer geirrt? Sie wohnen doch im ersten Stock, Zimmer 26, oder?«
Lisa Wagner stand mit einem falschen Lächeln vor ihr. Johanna drehte den Schlüssel in aller Ruhe um und schob ihn anschließend in die Jackentasche.
»Das ist toll, dass Sie alle Zimmernummern im Kopf haben, Frau Wagner, Respekt.« Johanna drehte sich genauso falsch lächelnd zu ihr. »Ich kann mir Zahlen immer ganz schlecht merken. Aber Herr Schmidt hat mich gebeten, seine Jacke aufs Zimmer zu bringen. Sie war ihm im Weg.«
Etwas Blöderes war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen.Lisa Wagner sah auch nicht so aus, als würde sie ihr glauben.
»Aha.« Wenigstens tat sie so. »Man hilft sich ja gern gegenseitig, nicht wahr? Nehmen Sie denn nicht an den Beratungsgesprächen teil? Ihre Tante machte den Eindruck, als wäre sie interessiert.«
Wenn jemand beratungsresistent war, dann war das Finchen, aber das konnte Lisa Wagner ja nicht wissen. Also sagte Johanna, dass sie selbstverständlich zusammen mit ihrer Tante an den Einzelgesprächen teilnehmen werde. »Genau dafür sind wir ja hier«, schob sie nach. »Damit meine Tante sich mal vernünftig über die Möglichkeiten, die sie so hat, beraten lassen kann.«
Lisa Wagner musterte sie skeptisch.
»Ich kann nicht mehr sitzen.« Walter trank sein Bier aus und stand auf. »Mein Hintern schläft gleich ein. Was ist, Heinz, kommst du mit? Ein paar Schritte laufen?«
Sein Schwager unterbrach das Gespräch mit der neben ihm sitzenden Eva Pieper und sah zu Walter hoch. »Jetzt sofort?«
»Ja. Ich muss mich mal bewegen. Und mein Hirn braucht frische Luft.«
Heinz entschuldigte sich bei seiner Sitznachbarin und ging Walter nach.
Der stand draußen, hatte seinen Kopf in den Nacken gelegt und starrte in den Himmel. Nach einem tiefen Atemzug blickte er Heinz an und sagte: »Dass du dich so von der Frau Pfeifer vollquatschen lässt, wundert mich.«
Gleichmütig sah Heinz in die Ferne und fasste sich mit seiner Hand ans linke Ohr. »Was hast du gesagt?« Ein hoher Ton signalisierte, dass er sein Hörgerät einstellte.
»Frau Pfeifer hat dich so vollgequatscht. Was redet die denn die ganze Zeit?«
»Du meinst Frau Pieper. Die Leute heißen Herr und Frau Pieper. Aus Hannover. Ich weiß es nicht so genau. Erst hat sie über ihre Wohnung auf Sylt geredet und dann über die Urlaubsgewohnheiten der Deutschen. Ich habe irgendwann mein Hörgerät ausgestellt, die letzten zehn Minuten habe ich nichts mehr mitgekriegt. Aber man will ja nicht unhöflich sein.«
»Du hast es gut.« Walter lenkte seine Schritte in Richtung Einfahrt. »Ich kann immer alles hören. Ich knöpfe mir übrigens gleich bei diesen Einzelgesprächen Tucke und Krause vor. Das ist vielleicht ein Unsinn, ihre Renditerechnung bei diesen Wohnanteilen, die nehme ich nachher aber auseinander.«
»Walter, bitte.« Heinz war stehen geblieben und hielt seinen Schwager am Jackenärmel fest. »Du bist immer gleich so negativ. Dabei hast du dich noch gar nicht mit diesem Modell befasst, du kennst es überhaupt nicht. Vielleicht ist da doch was dran. Die Piepers wirken jedenfalls sehr angetan, und das sind wirklich keine dummen Leute. Und die Herren heißen Tacke und Kruse. Konzentrier dich wenigstens bei den Namen. Das ist doch nicht normal, dass du das nicht hinkriegst. Und ich habe auch keine Lust darauf, aus dem Saal geworfen zu werden, weil du die auseinandernimmst. Was sollen denn bloß die anderen von uns denken? Dass da zwei alte Männer Theater machen, oder was?«
»Zwei alte Männer.« Walter schüttelte nachsichtig den Kopf. »Ich möchte dich daran erinnern, dass ich noch nicht mal siebzig bin. Und ich nehme die nicht vor allen Leuten auseinander, sondern schön im Einzelgespräch. Die sollen mir ihre feine Renditerechnung mal in aller Ruheaufmachen, das überfordert die anderen Teilnehmer nur. Du kannst ja neben mir sitzen und zuhören. Damit du mal lernst, wie man Finanzgespräche führt. Mir macht da nämlich niemand was vor. Zweiunddreißig Jahre Finanzamt Dortmund, da sollen die beiden Grünschnäbel sich mal warm anziehen. Was ist denn das da vorn?«
Heinz folgte seinem Blick und erkannte den Bauern vom gestrigen Abend wieder, der umständlich sein Moped abschloss. »Das ist der Mann, der gestern Abend so betrunken in der Bar war. Ach, da bin ich aber erleichtert, ich hatte gedacht,
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