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Herzraub

Herzraub

Titel: Herzraub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Buttler
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noch aktiv. Bei hirntoten Männern auf dem OP-Tisch hat man zum Beispiel eine Erektion beobachtet …“
    „Wünschen die Herrschaften noch ein Dessert?“ Der Ober zeigte erneut Anzeichen eines Schocks, brachte den Satz aber noch gerade korrekt über die Lippen.
    „Ja, gern. Nehmen wir ein Tiramisu?“, fragte Danzik sein Gegenüber.
    „Gute Idee.“
    „Ich glaube, ich brauche jetzt wirklich was Süßes. Zur Beruhigung.“
    „War es wirklich so schlimm?“ Laura Flemming legte gekonnt Mitgefühl in ihre Stimme. „Aber wir kommen jetzt zum Ende. Allerdings zu einem grausamen Ende. Bei der Explantation schneidet also der Chirurg in dieses Leben hinein. Und was da an infernalischem Schmerz zugefügt wurde, können wir nur vermuten. Das heißt, wir können es ablesen.“
    Danzik sah sie fragend an.
    „Ablesen an der Leiche. Wir haben es da mit Wesen zu tun, die offenbar so Traumatisches erfahren haben, dass die Angehörigen sie nicht wieder erkennen. Hinzu kommt, dass man sie nicht immer richtig verschließt. Ein Bestatter berichtete, er hätte mal einen Leichnam ohne Bauchverband erhalten, also, so was hätte er noch nie gesehen – “
    Danzik nahm ein paar große Schlucke vom Wein.
    „Kurz gesagt: Die Angehörigen erleben unvorstellbar Schlimmes. Auch sie, wie offensichtlich ihr Kind, erleiden ein Trauma. Ihre bewusstlose Tochter oder ihr komatöser Sohn wird getötet und beraubt. In Ihrem Mordfall ging ein geraubtes Organ an Celia Osswald. Und noch dazu ein Herz …“
    „Ein Herz“, wiederholte Danzik und umfasste Laura Flemming mit einem innigen Blick.
    Die Journalistin holte tief Luft. „Ja, natürlich ist das ein Mordmotiv!“
    „Eins würde ich gern noch wissen: Wie kamen Sie, eine schöne, und ich möchte sagen, bis in die Fingerspitzen lebendige Frau zu diesem – Todesthema?“
    Laura Flemming sah ihn sekundenlang schweigend an, als müsse sie die Antwort abwägen. „Ich hatte mal einen Allergieschock und bin für vier Tage ins Koma gefallen. Schauen Sie nicht so, ich bin ja zurückgekommen. Es passierte in einer anthroposophischen Klinik, und so hat auch niemand – auf meine Organe spekuliert.“
    „Das ist wunderbar.“ Dass der Auslöser eine Al-
lergie war, machte Danzik fast glücklich. „Im Übrigen möchte ich noch mehr von Ihren Vorlesungen erleben. Sehen wir uns wieder?“
    „Natürlich.“ Laura Flemming ließ es zu, dass er ihre Hand ein wenig länger festhielt. „Wenn man so einen aufmerksamen Schüler hat …“
     

15
    Claus Saalbach saß in seinem Wandsbeker Apartment und hatte den dritten Wodka hinter sich.
    „Sauf nicht soviel“, sagte sein Freund Heiner, „das macht die Sache auch nicht besser.“
    Als Antwort kippte Saalbach den vierten Wodka hinunter. Seine schwarz gefärbten spärlichen Haare sahen schmierig aus, und er war, obwohl schon der Abend dämmerte, noch unrasiert.
    „Das hat doch keinen Sinn, dass du da Zoff machst, so eine Klinik sitzt immer am längeren Hebel.“
    „Und wenn. Sie sollen wissen, was sie da verbrochen haben.“
    Saalbach stierte in das leere Glas. „Ich hab einfach alles falsch gemacht, von Anfang an. Soll ich dir was sagen? Sascha ist mit Absicht in den Tod gerast, er hat den Tod seiner Mutter einfach nicht verkraften können. Das war ja schon symbiotisch, diese Mutter-Sohn-Beziehung. Ich hätte dazwischen gehen müssen, hätte ihn abkoppeln müssen …“
    „Claus, du hattest doch gar keine Chance. Wir wissen doch, wie die in Deutschland hier mit Vätern umgehen. Als Anwalt könnte ich dir da Geschichten erzählen … Besuchsrecht – dass ich nicht lache! Deine Ex hat sich ihren Sohn gekrallt, wie es alle Weiber hier tun. Wahrscheinlich hat sie ihn auch noch als Partnerersatz missbraucht, denn dieser Steinmann hat sich ja wohl meistens mit der knackigen Polin vergnügt …“
    „Ach, lass doch.“ Saalbach wehrte müde ab. „Ja, das mit dem Besuchsrecht war eine Schweinerei. Erinnerst du dich, wie oft ich verabredet am Nonnenstieg stand, wartete und wartete, und dann war die Alte längst mit Sascha ins Sommerhaus abgedüst?“
    „Klar. Und in dieses Häuschen hast du noch Geld reingesteckt, wofür du auch keinen Ausgleich bekommen hast. Was bin ich froh, dass ich nie in die Ehefalle getappt bin.“
    Saalbach blickte auf. „Ja, ich habe diese Frau gehasst. Aus tiefster Seele gehasst. Ich hätte nie gedacht, dass ich zu so einem Gefühl überhaupt fähig bin. – Hast du schon mal einen Menschen gehasst?“
    Heiner Wentorf kaute

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