Herzschlag der Nacht
einzige Chance sein könnten, wieder ein Teil der Welt zu werden …
Womöglich war Prudence sogar am besten geeignet, Christopher zu helfen. Sie bewegte sich mit einer Leichtigkeit in der feinen Gesellschaft, die Beatrix niemals erreichen könnte. Und wenn es das Beste für ihn war, brächte sie es nicht übers Herz, ihm deswegen Vorhaltungen zu machen. Der Mann hatte genug Schmerz und Entsagung ertragen, da wollte sie ihm gewiss keine zusätzlichen Schwierigkeiten bescheren.
Nur leider konnte sie nicht aufhören, an ihn zu denken. Es war wie eine Krankheit, durch die es Beatrix unmöglich wurde, weiterzuleben wie bisher. Fortwährend war sie den Tränen nahe, fühlte sich fiebrig, erschöpft und appetitlos. Sie wurde sogar so niedergeschlagen, dass Amelia darauf bestand, ihr Sauerampfertonikum aufzubrühen.
»Du bist nicht du selbst«, hatte Amelia gesagt. »Gewöhnlich bist du so heiter.«
»Warum sollte ich grundlos heiter sein?«, hatte Beatrix mürrisch gefragt.
»Gibt es denn einen Grund, betrübt zu sein?«
Zu gerne hätte Beatrix sich ihrer Schwester anvertraut, schwieg jedoch. Es gab nichts, was Amelia tun könnte. Außerdem würde es Beatrix nicht bessergehen, selbst wenn sie Hunderten, Tausenden von Leuten ihr Herz ausschüttete. Sie sehnte sich nach einem Mann, den sie niemals haben könnte, und wollte sich nicht auch noch anhören, wie lächerlich es war. Ja, sie wollte nicht einmal aufhören, still zu leiden, denn ihr fruchtloses Verlangen war das einzige zarte Band, das sie mit Christopher verknüpfte.
Sie war in einem Maße besessen von ihm, dass sie allen Ernstes erwog, für den Rest der Ballsaison nach London zu reisen. Dort könnte sie Audrey besuchen und zweifellos auch Christopher begegnen. Allerdings wäre sie außerdem genötigt, ihn mit Prudence zu sehen, wie er mit ihr tanzte und sie charmant umwarb, und Beatrix war nicht sicher, ob sie das aushielte.
Nein, sie blieb lieber in Hampshire, wo sie hingehörte.
Audrey hatte es für eine weise Entscheidung gehalten.
»Er hat sich verändert, Bea, und nicht zum Besseren. Als Christopher von der Krim zurückkehrte, war ich sehr versucht, ihm die Wahrheit über die Briefe zu erzählen, dass du diejenige warst, die ihm schrieb, nicht Prudence. Aber jetzt bin ich froh, dass ich es nicht getan habe. Ich würde eine Zuneigung zwischen dir und Christopher nicht fördern wollen, denn er ist nicht er selbst. Er trinkt mehr, als er sollte, ist überaus schreckhaft und sieht und hört bisweilen Dinge, die gar nicht da sind. Und ich weiß, dass er nicht schlafen kann. Oft höre ich ihn nachts durchs Haus wandern. Wenn ich versuche, mit ihm zu reden, tut er meine Fragen ab, als wäre ich ein dummes Ding. Und manchmal bringt ihn eine simple Frage – vor allem jede, die mit dem Krieg zu tun hat – so sehr in Rage, dass er sichtlich Mühe hat, an sich zu halten. Ich frage mich …«
»Was?«, flüsterte Beatrix besorgt.
Audrey sah sie an. »Ich frage mich, wie Prudence mit ihm auskommt. Er ist fest entschlossen, sie zur Frau zu gewinnen, doch ist er nicht mehr der Mann, der er war. Und Prudence mangelt es an dem nötigen Verstand, den Wandel zu erkennen. Meine Sorge ist, dass er für sie zu einer Gefahr wird.«
Beatrix dachte an die ominösen Worte, als sie mit einer klaren Absicht im Kopf zum Phelan-Anwesen ging. Auch wenn sie Christopher nicht helfen konnte, könnte sie für Albert eine Menge tun. Ein aggressiver Hund fügte anderen allzu leicht Schaden zu, was meist bewirkte, dass ihm nicht die Liebe und Aufmerksamkeit zuteilwurde, die er brauchte. Hunde waren dem Wesen nach auf die Gemeinschaft mit anderen angewiesen, und deshalb musste Albert lernen, mit ihnen auszukommen.
Mrs. Clocker, die Haushälterin der Phelans, begrüßte sie und sagte ihr, dass Audrey nicht zu Hause wäre, jedoch bald von ihrem Besuch im Dorf zurückkäme. »Möchten Sie auf sie warten, Miss Hathaway?«
»Eigentlich würde ich gern in einer bestimmten Angelegenheit mit Captain Phelan sprechen«, antwortete Beatrix und ergänzte auf den fragenden Blick der Haushälterin hin lächelnd: »Ich möchte ihm anbieten, mich um Albert zu kümmern, solange Captain Phelan in London ist.«
Die Haushälterin machte große Augen. »Der Herr wollte die Kreatur hierlassen, wo sich die Bediensteten um ihn kümmern.« Sie beugte sich näher zu Beatrix vor und flüsterte: »Er ist ein Höllenhund, Miss. Der Teufel selbst wollte einen solchen Hund nicht haben.«
Beatrix lächelte
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