Herzschlag der Nacht
gezuckerten Tee und ließ sich von der freundlichen Unterhaltung treiben. Langsam löste sich eine Reihe von festen, kalten Knoten in seiner Brust. Ihm wurde ein Teller mit Sandwiches und Törtchen hingestellt. Gelegentlich sah er zu Albert, der in der Ecke lag und das Kinn auf seine Vorderpfoten gelegt hatte.
Die Hathaways waren eine neue Erfahrung für Christopher. Sie waren klug, amüsant und wechselten immerfort das Thema, um etwas gänzlich Unerwartetes anzusprechen. Es war offensichtlich, dass die Schwestern für die feine Gesellschaft viel zu intelligent waren. Das einzige Thema, das keiner von ihnen anrührte, war die Krim, und dafür war Christopher ihnen dankbar. Sie schienen zu begreifen, dass der Krieg das Letzte war, worüber er reden wollte. Dies war einer von mehreren Gründen, weshalb er sie mochte.
Beatrix allerdings stellte ein Problem dar.
Christopher wusste nicht, was er von ihr halten sollte. Die Vertrautheit, mit der sie ihn ansprach, wunderte und ärgerte ihn gleichermaßen. Und ihr Anblick in diesen Kniebundhosen, die Beine überkreuzt wie ein Mann, war beunruhigend. Sie war eigenartig, rebellisch und nur halb zahm.
Nach dem Tee bedankte Christopher sich für den angenehmen Nachmittag.
»Sie kommen uns hoffentlich bald wieder besuchen«, sagte Amelia.
»Ja«, antwortete Christopher, ohne es zu meinen. Er war recht sicher, dass die Hathaways, so nett sie auch sein mochten, lieber in geringen und raren Dosen genossen werden sollten.
»Ich bringe Sie bis zum Waldrand«, verkündete Beatrix und ging Albert holen.
Christopher unterdrückte eine scharfe Erwiderung. »Das wird nicht nötig sein, Miss Hathaway.«
»Oh, ich weiß, aber ich möchte es.«
Christopher biss die Zähne zusammen und wollte nach Alberts Leine greifen.
»Ich habe ihn«, sagte Beatrix und behielt die Leine in der Hand.
Christopher entging Rohans amüsierter Blick nicht, als er jede Widerrede aufgab und Beatrix aus dem Haus folgte.
Amelia stand am Salonfenster und sah den beiden Gestalten nach, die durch den Obstgarten zum Wald gingen. Die Apfelbäume mit ihrem hellgrünen Laub und den ersten weißen Blüten verdeckten das Paar schon bald.
Ihr war ein Rätsel, wie Beatrix sich dem strengen Soldaten gegenüber verhalten hatte. Sie hatte an ihm herumgekrittelt und ihn mit Fragen überschüttet, als versuchte sie, ihn an etwas zu erinnern, was er vergessen hatte.
Cam kam zu Amelia ans Fenster und stellte sich hinter sie. Amelia lehnte sich an ihn. Die verlässliche, starke Präsenz ihres Mannes war wohltuend, und als eine seiner Hände auf ihren Bauch glitt, erschauerte sie wohlig unter der sinnlichen Berührung.
»Armer Mann«, murmelte Amelia, der Phelans gequälter Blick nicht aus dem Kopf gehen wollte. »Ich habe ihn zuerst gar nicht wiedererkannt. Ob er weiß, wie sehr er sich verändert hat?«
Cams Lippen strichen über ihre Schläfe, als er antwortete: »Ich nehme an, dass er es gewahr wird, seit er zu Hause ist.«
»Früher war er ausgesprochen charmant, und jetzt wirkt er so streng. Und wie er manchmal dreinblickt, als würde er durch sein Gegenüber hindurchsehen …«
»Er hat zwei Jahre lang seine Freunde begraben«, sagte Cam ruhig. »Und er war an Kämpfen beteiligt, die jeden Mann verhärmt und hart machen.« Er schwieg einen Moment. »Manches von dem kann man nicht hinter sich lassen. Die Gesichter der Männer, die man tötet, begleiten einen auf immer.«
Amelia wusste, dass er an bestimmte Erlebnisse in seiner Vergangenheit dachte, drehte sich zu ihm und nahm ihn in die Arme.
»Die Roma glauben nicht an Kriege«, sagte Cam in ihr Haar. »Konflikte, Zank und Kampf, ja, aber nicht das Leben eines Mannes auslöschen, gegen den man keinerlei persönlichen Groll hegt. Was einer der vielen Gründe ist, weshalb ich keinen guten Soldaten abgäbe.«
»Und aus denselben Gründen bist du ein sehr guter Ehemann.«
Cams Arme schlossen sich fester um sie, und er flüsterte etwas in Romani. Zwar verstand Amelia die Worte nicht, doch der Klang allein löste ein wohliges Kribbeln in ihr aus.
Sie schmiegte ihre Wange an seine Brust. »Es ist unverkennbar, dass Beatrix von Captain Phelan fasziniert ist.«
»Verwundete Kreaturen ziehen sie immer an.«
»Nur sind die verwundeten auch oft die gefährlichsten.«
Cam strich ihr über den Rücken. »Wir geben gut acht auf sie, Monisha .«
Beatrix hielt mühelos mit Christopher Schritt, als sie auf den Wald zugingen. Ihm gefiel es nicht, dass jemand anderer
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