Herzschlag der Nacht
ablenken oder auf länger hineinbitten würde. Nach einem zweifellos strapaziösen Sommer mit seinem ungebärdigen Hund dürften sie ihm Albert wohl ohne Weiteres übergeben. Was Beatrix betraf, hoffte er geradezu, dass sie ihn aufzuhalten versuchte, auf dass er ihr einige Dinge unmissverständlich deutlich machen konnte.
»Würden Sie bitte im Salon warten, Sir?«
Christopher schüttelte nur den Kopf.
Verstört eilte die Haushälterin davon, während er in der Diele stehen blieb.
Fast gleich darauf erschien Beatrix. Sie trug ein weißes Kleid aus mehreren dünnen, fließenden Schichten, dessen Mieder sehr reizvoll die Kurven ihrer Brüste verhüllte. Und der halb durchsichtige Stoff oben an ihren Schultern und den Armen verlieh ihr das Aussehen eines magischen Wesens, das einer weißen Seidenwolke entstieg.
Für eine Frau, die seinen Hund entführt hatte, war sie beachtlich gefasst.
»Captain Phelan.« Sie machte einen eleganten Knicks vor ihm.
Christopher starrte sie fasziniert an und bemühte sich, seinen berechtigten Zorn festzuhalten, doch der rann ihm wie Sand durch die Finger. »Wo sind Ihre Kniebundhosen?«, fragte er unwillkürlich und stellte fest, dass seine Stimme befremdlich heiser klang.
Beatrix lächelte. »Ich dachte mir, dass Sie bald kommen würden, um Albert zu holen, und wollte Sie nicht échauffieren, indem ich abermals Männerkleidung trage.«
»Wäre Ihnen so sehr daran gelegen, mich nicht zu échauffieren, hätten Sie gründlicher überlegt, bevor Sie meinen Hund entführten.«
»Ich habe ihn nicht entführt. Er ging freiwillig mit mir.«
»Obgleich ich Ihnen ausdrücklich sagte, Sie sollten sich von ihm fernhalten.«
»Ja, ich erinnere mich«, sagte sie zerknirscht. »Albert hingegen zog es vor, den Sommer hier zu verbringen. Er hat sich übrigens sehr gut gemacht.« Sie verstummte und musterte ihn. »Wie geht es Ihnen?«
»Ich bin erschöpft«, antwortete Christopher mürrisch. »Ich komme gerade aus London.«
»Sie armer Mann müssen ja ausgehungert sein. Kommen Sie und essen Sie mit uns.«
»Danke, nein. Ich möchte nur meinen Hund holen und nach Hause.« Wo ich mich bis zur Besinnungslosigkeit betrinke. »Wo ist Albert?«
»Er wird gleich hier sein. Ich bat unsere Haushälterin, ihn zu holen.«
Christopher blinzelte. »Hat sie keine Angst vor ihm?«
»Vor Albert? Du lieber Himmel, nein! Jeder hier liebt ihn.«
Dass jemand, irgendjemand sein angriffslustiges Haustier liebte, war schwer zu begreifen. Christopher hatte erwartet, dass man ihm eine Liste mit allem präsentierte, was Albert an Einrichtungsgegenständen demoliert hatte. Entsprechend konnte er sie jetzt nur verständnislos anschauen.
Und dann kam auch schon die Haushälterin mit einem gehorsamen und sehr gepflegten Hund, der neben ihr hertrottete.
»Albert?«, sagte Christopher.
Der Hund sah ihn an. Seine Ohren zuckten, bevor sich das Gesicht mit den Zotteln veränderte und seine Augen aufleuchteten. Ohne zu zögern, stürmte Albert mit einem fröhlichen Bellen los. Christopher kniete sich hin und fing den überglücklichen Hund mit beiden Armen auf. Albert reckte sich, um ihm das Gesicht abzulecken, winselte und stupste ihn immer wieder mit der Nase an.
Christopher wurde von seinen Gefühlen überwältigt. Für ihn war Albert ein Seelenverwandter, und er war ungemein froh, ihn wiederzusehen. Er drückte den warmen Hundeleib an sich, murmelte seinen Namen und streichelte ihn, was Albert mit freudigem Winseln und Beben vor Aufregung belohnte.
»Du hast mir gefehlt, Albert. Braver Junge. Das ist mein Junge.« Christopher konnte nicht anders, als sein Gesicht in das raue Fell zu drücken. Ihn plagten entsetzliche Schuldgefühle, weil er Albert den Sommer über allein gelassen hatte, wohingegen der Hund ihn einfach nur herzlich willkommen hieß. »Ich war zu lange fort«, flüsterte Christopher und blickte in die ausdrucksstarken braunen Hundeaugen. »Ich verlasse dich nie wieder.« Nun sah er zu Beatrix auf. »Es war ein Fehler, ihn nicht mitzunehmen«, sagte er heiser.
Sie lächelte ihn an. »Albert nimmt es Ihnen nicht übel. Irren ist menschlich; Hunde können vergeben.«
Er wollte es selbst nicht glauben, doch seine Lippen formten von selbst ein Lächeln. Derweil streichelte er weiter den Hund, der sich drahtig und wohlgenährt anfühlte. »Sie haben gut für ihn gesorgt.«
»Er benimmt sich auch besser als zuvor«, erklärte sie. »Fortan können Sie ihn überall mit hinnehmen.«
Christopher stand
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