Herzschlag der Nacht
gewöhnen.« Er sah zu Beatrix und fügte ernst hinzu: »Ich stehe in Ihrer Schuld.«
Beatrix wurde rot und blickte lächelnd auf ihren Teller. »Ganz und gar nicht.«
»Meine Schwester ist von jeher überaus begabt im Umgang mit Tieren«, sagte Amelia. »Ich habe mich stets gefragt, was geschehen würde, sollte Beatrix es sich in den Kopf setzen, einen Menschen zu bessern.«
Leo grinste. »Ich schlage vor, dass wir einen wahren Taugenichts auftreiben, einen Verschwender, und ihn Beatrix geben. Sie hätte ihn binnen vierzehn Tagen kuriert.«
»Ich hege nicht das geringste Interesse, mich mit Zweibeinern abzugeben«, sagte Beatrix. »Vier Beine sind das Minimum. Zudem hat Cam verboten, dass ich weitere Kreaturen in der Scheune unterbringe.«
»Bei der großen Scheune?«, fragte Leo entsetzt. »Sag nicht, dass wir keinen Platz mehr haben.«
»Irgendwo muss man die Grenze ziehen«, erklärte Cam. »Und ich zog sie nach dem Maultier.«
Hier merkte Christopher auf und sah Beatrix an. »Sie haben ein Maultier?«
»Nein«, antwortete sie prompt. Vielleicht lag es am Licht, oder sie wurde tatsächlich blass. »Es ist nichts. Das heißt, ja, ich habe ein Maultier. Aber darüber möchte ich nicht reden.«
»Darf ich von ihm erzählen?«, flötete Rye unschuldig. »Hector ist ein richtig nettes Maultier, nur leider hat er einen schwachen Rücken und humpelt ein bisschen. Keiner wollte ihn, als er geboren war, und da ist Tante Beatrix zu Mr. Caird gegangen und hat gesagt …«
»Er heißt Hector?«, fragte Christopher, bevor der Junge ausgeredet hatte, und sah Beatrix an.
Sie antwortete nicht.
Mit Christophers Körper geschah etwas sehr Merkwürdiges. Jedes einzelne Härchen schien sich aufzustellen, jeder Pulsschlag in jedem noch so kleinen Blutgefäß war überdeutlich zu spüren. »Gehört das Vatertier zufällig Mr. Mawdsley?«
»Woher wissen Sie das?«, erklang Ryes Stimme.
»Jemand schrieb mir davon«, antwortete Christopher leise.
Er hob sein Weinglas an die Lippen und wandte den Blick von Beatrix ab, die keine Miene verzog.
Für den Rest des Mahls sah er sie nicht mehr an.
Er konnte es nicht, denn dann hätte der die Beherrschung verloren.
Beatrix erstickte beinahe unter dem Druck ihrer Sorge. Nie im Leben hatte sie etwas so bitter bereut, wie Christopher zum Bleiben gedrängt zu haben. Was würde er mit der Nachricht anfangen, dass sie Mr. Cairds Maultier kaufte und es nach dem aus seiner Kindheit benannte? Er würde eine Erklärung fordern, und sie müsste es als von Prudence stammend ausgeben. Ich nehme an, dass Pru den Namen erwähnte und ich ihn mir eben gemerkt habe , würde sie sagen. Es ist ein schöner Name für ein Maultier, und es macht Ihnen hoffentlich nichts aus.
Ja, das müsste gehen, solange sie die Angelegenheit gelassen behandelte.
Nur fiel es schwer, sich nonchalant zu geben, wenn man schreckliche Angst hatte.
Zum Glück verlor Christopher das Interesse an dem Thema. Er beachtete Beatrix gar nicht mehr, sondern begann eine Unterhaltung mit Leo und Cam über gemeinsame Bekannte in London. Dabei war er entspannt, lächelte und lachte sogar über einen von Leos Scherzen.
Beatrix’ Panik legte sich, sowie sich das Gespräch auf anderes verlegte und keiner noch etwas über Hector sagen wollte.
Den ganzen Abend schaute sie immer wieder verstohlen zu Christopher, vollkommen fasziniert von seinem Anblick. Die Sonne hatte seine Haut gebräunt und das Haar ausgeblichen, sodass das Kerzenlicht goldene Strähnen hineinzauberte. Im gelblichen Lichtschein schimmerten auch die leichten Stoppeln an seinem Kinn auf. Beatrix war bezaubert von der rohen, rastlosen Männlichkeit, die sich unter seinem stillen Äußeren verbarg. Mit Freuden würde sie sich von seiner Wildheit hinreißen lassen, so wie man bei einem Unwetter hinaus ins Freie läuft und sich genüsslich den Elementen aussetzt. Vor allem aber sehnte sie sich danach, mit ihm zu sprechen … einander mit Worten zu öffnen, jeden Gedanken, jedes Geheimnis zu teilen.
»Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Gastfreundschaft«, sagte Christopher nach dem Essen. »Es war sehr angenehm und das köstlichen Essen eine Wohltat.«
»Sie müssen bald wiederkommen«, lud Cam ihn ein, »vor allem um unser Sägewerk in Betrieb zu sehen. Wir haben einige Neuerungen eingeführt, die Sie vielleicht auch in Riverton übernehmen möchten.«
»Danke, das sehe ich mir sehr gern an.« Nun blickte er endlich wieder Beatrix an. »Bevor ich gehe, Miss Hathaway,
Weitere Kostenlose Bücher